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„Let’s Talk About Sex, Habibi“ – Teil zwei des Interviews mit Mohamed Amjahid

Was denken Sie, sollte sich in der Gesellschaft generell zum Thema Sex ändern?

Darüber haben wir bereits gesprochen – Kommunikation ist so wichtig. Dass wir mehr darüber schreiben, dazu lesen, darüber reden, wie man Sexualität respektvoll und frei leben kann, ohne die roten Grenzen meines Gegenübers zu überschreiten. Wir hatten ja sehr viele Debatten über das „eingewanderte Patriarchat“ nach der Kölner Silvesternacht. Und dann kam plötzlich die #MeToo-Bewegung! Da haben wir gesehen, wie Macht missbraucht wird, um vor allem Frauen und Queers auszunutzen. In Unternehmen, in den Zeitungen, in der Kunstbranche, im Alltag, bei der Polizei, überall.

Ich glaube, dass ein wichtiger Schritt, um diesen Machtmissbrauch aufzuheben oder abzumildern, wäre, dass wir darüber reden müssen. Dass mehr über dieses Machtgefälle geschrieben werden muss, darüber reflektiert werden muss. Und das machen ja genau diese vielen, vielen Feministinnen in Casablanca, in Tunis und in Kairo. Und da kann man sehr, sehr viel lernen, denn die sind in einem Umfeld, wo sie existenziell von einigen Gruppen auch bedroht werden. Ganz anders, als wenn man sich hier auf den Pariser Platz, vor dem Brandenburger Tor hinstellt und sich auszieht. Es ist nochmal eine ganz andere Bedrohung, wenn man islamistische, langbärtige Ewiggestrige um sich hat, zum Beispiel.

Und deswegen ist es neben der Kommunikation auch so wichtig, sich auszutauschen mit Betroffenen aus anderen Kontexten. Um resilienter zu werden. So kommt man dazu, sich auch eher dahin zu widmen, seine Sexualität auszuschöpfen, zu genießen und zumindest sich für sich selbst und für die eigenen Partner*innen auch auszuleben. Und nicht nur unbedingt im Halböffentlichen. Vor allem, wenn wir über queeres Begehren sprechen, dann findet das ja oft nicht in der Öffentlichkeit statt. In Deutschland nicht, in Marokko nicht. Und das muss man normalisieren. Man muss ja nicht alle einladen, mitzumachen, aber zu sagen: Das gibt es! Für die heteronormativ lebende Mehrheit ein Schritt dahin, sich abzufinden, dass auch andere Lebenskonzepte existieren.

Wer sollte Ihr Buch lesen? Diejenigen, die sich ohnehin mit den Debatten rund um Sexualität beschäftigen – oder eher Lehrer, … Bäcker?

Immer! Ich backe ja gerne auch, also alle Bäcker*innen bitte das Buch lesen! (lacht) Ich habe das Buch für mich selbst in erster Linie geschrieben. Ich hatte auch viel Spaß beim Schreiben, wie gesagt.

Ich hoffe sehr, dass einerseits jene, die überhaupt nichts mit der Region oder dem Thema anfangen können, doch ihren Weg dorthin finden. Egal, ob Urlaubslektüre oder als literarischer Beitrag. Es ist ja ein Sachbuch, das ist alles so passiert. Aber ich habe versucht, es sprachlich so einzufangen, dass man auch einen Lesegenuss dabeihat und auf Entdeckungsreise gehen kann.

Und es ist auch für alle betroffenen Gruppen, die im Buch auf die eine oder andere Weise vorkommen, die daraus vielleicht auch Kraft schöpfen für das eigene Wirken oder den eigenen Kampf. Es ist ja auch die Frage, ob das Buch in Zukunft übersetzt wird – für die Leute in Nordafrika selbst. Ich suche sehr aktiv den Dialog mit den Autor*innen dort, mit den Aktivist*innen und da ist es mir ein Anliegen, dieses Thema als Buch in die weite Welt zu tragen.

Jeder ist eingeladen, das Buch sehr, sehr gerne zu lesen und an Weihnachten natürlich auch zu verschenken! (lacht)


Hier gelagt ihr zum ersten Teil des Interviews

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Bildquelle: Shawn Reza via Pexels, CC0-Lizenz