Eine Idee Liebe: Ich habe aber keine Lust!
Die romantische Liebe ist zum zentralen Motiv unserer Paarbeziehungen geworden. Dass sie der Kitt zweier Menschenleben ist, ist dabei eine noch recht junge Erfindung. Seitdem hat sich viel getan. In dieser Kolumne beschäftigen sich unsere zwei Autorinnen Lena und Rahel mit dem Ursprung der romantischen Liebe. Wo kommt sie her, wo will sie hin? Ist die Liebe zwischen Swipe links und Swipe rechts nur noch ein Produkt der Liebesökonomie?
Nirgendwo wird so viel gelogen wie beim Sex. Na gut, und beim Gehalt vielleicht, aber das ist hier heute nicht das Thema. Fragt man in seinem Freundeskreis nach, wie viel Sex die anderen Pärchen so haben, dann wird die pauschale Antwort wohl „Zwei Mal die Woche“ lauten.
Zwei Mal die Woche, weil die, die kaum noch Sex haben, nicht als prüde dastehen wollen und die, die jeden Tag miteinander schlafen, nicht wirken wollen, wie das komische Nymphomanen-Pärchen von nebenan. Zwei Mal die Woche ist die sichere Antwort, da fragt keiner mehr nach, das klingt plausibel.
Die Wahrheit wird an dieser Stelle wie immer irgendwo zwischen den Zeilen liegen und gerade beim Thema Sex, wäre ich persönlich auch immer vorsichtig, was Studien betrifft, denn egal wie anonym diese auch sein mögen, eine Restangst entlarvt zu werden, bleibt bei den Befragten schlussendlich immer.
Also beschönigen wir, was das Zeug hält. Egal ob im Freundeskreis oder in offiziellen Studien. Wie oft wir wirklich mit unserem Partner schlafen, dass wissen nur wir. Ein Grund mehr, weshalb wir uns schrecklich viel Druck machen, wenn im heimischen Schlafzimmer irgendwann die Flaute einkehrt. Schließlich haben alle anderen ja zwei Mal die Woche Sex!
Aber ist es überhaupt so schlimm, wenn wir unserem Partner nach ein paar Monaten nicht mehr sofort die Klamotten vom Leib reißen wollen, sobald wir ihn sehen?
Natürlich nicht!
Das sehen nicht nur Sexualforscher:innen so, sondern auch Psychologen und Sexualtherapeut:innen Für sie ist klar, wir müssen aufhören, uns im Bett so viel Druck zu machen. Denn wenn unsere Libido eins hasst, dann ist es Druck. Doch da uns von außen ständig suggeriert wird, dass alle immer mehr Sex haben als wir, entsteht ein Mangel, der zuvor überhaupt nicht da war.
Das liegt nicht nur an den Erzählungen unserer Freund:innen und dem so häufig verteufelten Internet, sondern auch an der Werbeindustrie. Es gibt quasi nichts, was nicht mit einer (halb-)nackten Frau beworben werden kann. Sei es nun eine Sauna, ein Schreinereibetrieb oder eine Jeansmarke: Sex sells! Kein Wunder also, dass wir völlig übersättigt sind und uns schlecht fühlen, wenn wir uns daheim in Jogginghose und mit Achselhaaren nicht mehr wirklich attraktiv und sexy finden.
Ähnliche Effekte wie die Werbung haben auch Vorurteile und Klischees, die wir alle im Laufe unseres Lebens erlernen. Dazu gehören nicht nur die Standard-Sprüche wie: „Männer können immer“ oder „Frauen täuschen die Migräne nur vor“, sondern auch erlernte Rollenverteilungen im Bett, die am Ende niemandem etwas bringen, aber beide Seiten massiv unter Druck setzen. Denn vielleicht will der Mann gar nicht immer den ersten Schritt machen und vielleicht hat die Frau auch mal Bock auf die dominante Rolle. Könnte ja sein! Hinzukommt, dass wir immer noch mit Frauen und Männern unterschiedlich umgehen, wenn es um die Anzahl der Sexualpartner:innen geht. Dabei ist die Mär Männer mit vielen wechselnden Bettgeschichten seinen Herzensbrecher und Weiberhelden und Frauen seien – excuse my french – Schlampen nicht nur frauenfeindlich, sondern reproduziert auch Vorurteile und verhindert einen gesunden Umgang mit der eigenen Lust.