Liebeserklärung an das Studentenwohnheim

Liebeserklärung an: das Studentenwohnheim

Es sind die kleinen Dinge, die uns unseren tristen Alltag versüßen und das Leben ein bisschen besser machen. Ob es hübsche Gänseblümchen sind, die am Straßenrand wachsen oder eine Kugel deiner liebsten Eissorte – wir alle haben kleine Muntermacher in unserem Alltag, über die wir nur selten ein Wort verlieren. Das soll sich jetzt ändern! Wir bieten euch eine Liebeserklärung an die kleinen Dinge, die uns in stressigen Situationen retten, an schleppenden Tagen motivieren oder uns die guten Tage versüßen!

 

Du bist eng, schmuddelig, viel zu laut und Privatsphäre ist absolut nicht dein Ding. Liebes Studentenwohnheim, du musstest dir in all den Jahren deines Bestehens schon Einiges anhören. Für mich bist du das architektonische Gürkchen auf dem Cheeseburger – entweder man hasst dich oder man liebt dich. Und weil ich dich niemals angewidert vom Burger werfen werde, widme ich dir diese Liebeserklärung.

 

Von Knastgefühlen und Kinderwünschen

 

Ich bin vor zwei Jahren zum ersten Mal von zuhause ausgezogen. Neue Stadt, neue Uni, neues Studium. Aller Anfang ist schwer und ich muss zugeben,dass ich es wirklich nicht gleich nach dem ersten Blick gefühlt habe, das zwischen uns.
Als ich zum ersten Mal einen Fuß auf deine abgeranzten Treppenstufen gesetzt habe, durch die unfassbar verdreckten Dachfenster „geblickt“ habe (Ist das alles Vogelscheiße?!) und diesen kahlen Gang entlanggelaufen bin, da hast du mich wirklich nicht vom Hocker gehauen. Mein Zimmer hat mich auch erst einmal eher an eine Gefängniszelle erinnert – die Matratze ist sogar gestreift und die Einrichtung: Schreibtisch, Schrank, Holzstuhl, 90 cm breites Bett. Alles, was man so zum Leben braucht. Aber hey, das Klo steht sogar in einem Extraraum! Spaß beiseite, geliebtes Studentenwohnheim. Ich bin kein großer Verfechter des ersten Eindrucks – dafür hat er mich schon viel zu oft getrübt – und deshalb habe ich mir zurück zuhause geschworen, dass du mindestens noch eine zweite Chance bekommst.

Dann kam der Tag des Einzugs und pünktlich zum Semesterstart haben deine Gänge sich auch langsam wieder mit Leben gefüllt. Gemeinsam mit meinen Eltern habe ich die kahle Schuhschachtel in eine halbwegs gemütliche Wohnung verwandelt. Ich bin im Nachhinein wirklich froh, dass ich beim Umzug wirklich alles mitgenommen habe. Topfpflanzen, Bücher, Klamotten, Erinnerungen. Gefühlt ein LKW voll mit meinem Leben. Das alles habe ich gebraucht, um mich wieder heimelig zu fühlen.

Nach dem ersten Wochenende habe ich mich dann noch einmal in aller Ruhe umgeschaut und bemerkt, dass sich gerade ein Kindheitstraum erfüllt. Seit „Schloss Einstein“ wollte ich immer unbedingt ins Internat – einfach, weil mein damaliges Ich die Zimmer so fancy fand. 14 Jahre später hat sich dieser Wunsch erfüllt und ich hab jetzt ein Internatszimmer, in das ich meine Freundinnen zur Pyjamaparty einladen kann. Besonders abgefahren und wie ich finde beneidenswert: Ich hatte Glück und habe ein Galeriezimmer ergattert. Ich klettere also jede Nacht in mein Bett und schlafe unter einer gemütlichen Holzdecke. Wenn es jetzt noch eine Rutsche nach unten gäbe…

 

Never ending Schullandheim

 

Das Seltsamste, wenn du ganz neu in der Stadt bist? Du kennst kein Schwein. Raus aus der Doppelhaushälfte einer fünfköpfigen Familie, rein in den Zwölf-Quadratmeter-Singlehaushalt. Da ist’s erst einmal ganz schön still und das ist einfach nur ungewohnt. Ich hab am ersten Abend sogar meinen kleinen Bruder vermisst, der sich um vier Uhr morgens „was Warmes“ kocht. Das mit der Stille war aber zum Glück schnell rum, ich hab mich schließlich bewusst fürs Wohnheim entschieden! Am zweiten Abend gab’s gleich einmal ein Get-Together mit allen, die neu waren. Ein besonders kontaktfreudiger Kumpel hat uns dafür einfach alle in eine WhatsApp Gruppe gepackt. Dieser zweite Abend hat den Grundstein für die meisten engeren Freundschaften gelegt, die ich bis heute in meiner Studentenstadt habe. Von da an ging alles sehr schnell, denn eines zeigst du ganz besonders: das Kennenlernen geht flott, wenn man sich schon am zweiten Morgen verkatert und ungeduscht im Treppenhaus trifft. Ich will eigentlich nur den Müll rausbringen, kurz darauf sitze ich auf dem Bett meiner neuen Freundin und trinke Kaffee. Das ist das, was ich an dir am allermeisten liebe. Ich gehe vor die Tür und treffe jemanden. Aber wenn ich meine Ruhe brauche und einen Abend allein mit Netflix im Bett verbringen will, kann ich das und höre gleichzeitig, dass sich um mich herum Leute verabreden, kochen, Musik hören oder machen, lachen, trinken, feiern und manchmal sogar lernen. Ich mag’s, wenn um mich rum das Leben passiert und das muss man auch mögen, um dauerhaft glücklich mit dir zu sein.

Du bist das Schullandheim, aus dem man einfach mal drei Jahre nicht mehr wiederkommt (ohne Aufsichtspersonen, aber leider auch ohne Frühstück!). Liebes Studentenwohnheim, ich hab mit dir gefeiert, gelacht, geheult, nächtelang gequatscht und Freundschaften geknüpft, die hoffentlich ein Leben lang halten werden. Ich kann wirklich nur jedem ans Herz legen, den Start ins Studentenleben gemeinsam mit dir zu wagen. Mich müssen sie nach meinem Bachelor wahrscheinlich aus dir heraustragen.

 

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!

Bild: Theresa Brandl