Am Bahngleis

Eine Liebeserklärung an: Das Bahnfahren

Es sind die kleinen Dinge, die uns unseren tristen Alltag versüßen und das Leben ein bisschen besser machen. Ob es hübsche Gänseblümchen sind, die am Straßenrand wachsen oder eine Kugel deiner liebsten Eissorte – wir alle haben kleine Muntermacher in unserem Alltag, über die wir nur selten ein Wort verlieren. Das soll sich jetzt ändern! Wir bieten euch eine Liebeserklärung an die kleinen Dinge, die uns in stressigen Situationen retten, an schleppenden Tagen motivieren oder uns die guten Tage versüßen!

Eine Liebeserklärung von Heiko Fekete

Der Bahngleis. Ein Ort, an dem sich viele Menschen versammeln, deren Gesichtszüge unterschiedlicher nicht sein könnten. Grantig. Glücklich. Gleichgültig. Die, die halt fahren müssen und die, die fahren wollen. Und mittendrin, da stehe ich. Ob ich aus der Masse heraussteche? Wohl eher nicht. Meine Gesichtszüge sind ziemlich neutral, sie wirken weder überschwänglich und fröhlich noch tieftraurig und niedergeschlagen. Aber innerlich, da freue ich mich wie ein Spielkind: Endlich wieder Bahnfahren!

Für manche Leute mag die Bahn nur ein Mittel zum Zweck sein, für mich ist sie eindeutig mehr als nur ein schneller Weg, ans Ziel zu kommen. Es ertönt die Lautsprecherdurchsage – der Zug fährt ein. Ich hüpfe rein, die Tür geht zu, laute Piepsgeräusche signalisieren, dass es gleich soweit ist: Tschuu Tschuu ruft es in mir. Ich richte mir noch schnell meine Kopfhörer ein, wähle meine Lieblingsplaylist aus und lehne mich gemütlich ans Fenster. Der graue Ausblick auf das massenhafte Treiben am Bahnhof wird schon bald durch das schöne, weite Panorama der landschaftlichen Umgebung abgelöst. Vorfreude macht sich bei mir breit auf das, was die nächsten Minuten folgt: Eine Bahnreise von A nach B – für mich persönlich eine der schönsten Situationen, die ich mir vorstellen kann.

Da werden Erinnerungen wach

Auf der Fahrt lasse ich mich von Naturbildern berieseln – manche schön, manche weniger schön – untermalt von meiner Lieblingsmusik, die den Soundtrack zum Leben im Moment macht. Heute reise ich allein und denke dabei gleichzeitig an die vielen schönen Momente, die ich auf Zugreisen erlebt habe: Gemeinsame Fahrten zu Festivals und Konzerten, immer wieder auf’s Neue eine Mordsgaudi mit der Clique: Gemeinsam haben wir unsere Insider zum Besten gegeben und eine Runde Schafkopf nach der anderen gespielt. Mit dem Pkw wäre das nicht so leicht gegangen (obviously!) – Punkt für die Bahn!

Und dann waren da noch die Zugfahrten nach Italien. Einmal quer durch die Alpen, die wunderbare Aussicht auf die Berge und strahlender Sonnenschein. Sonne, Tagträumereien und das schöne Ruckeln des Zugs.

Entspannen und abschalten!

Ich versinke auf meiner jetzigen Zugfahrt weiter in Gedanken. Blicke hinaus auf die Landschaft und das Wetter. Es regnet, aber das stört mich nicht. Stattdessen faszinieren mich die Regentropfen, die fast symmetrisch zueinander die Fensterscheiben hinunterlaufen. Verkehrsstraßen säumen meinen Weg, ich beobachte die vorbeifahrenden Autos ganz genau. Wie viele verschiedene Automarken werden es diesmal sein? Zähle ich heute sogar mal mehr japanische als deutsche Hersteller? Gedankenspiele, die mich im Endspurt Richtung Zielbahnhof noch einmal abschweifen lassen.

Und ehe es soweit ist, bin ich schon da: Am Zielbahnhof. Endstation. Fast schon wehmütig stöpsele ich meine Kopfhörer wieder aus und flitze zur Tür, während ich die Eindrücke wieder durch den Kopf gehen lasse. Mittlerweile habe ich meine Auto-Rechenspiele auch beendet: Deutsche Autos waren doch mal wieder in der Überzahl. Vielleicht verbringe ich meine nächste Bahnfahrt damit, Elektroautos zu zählen. Oder ich erstelle eine neue Playlist, Indie-Rock hab ich schon länger nicht mehr gehört. So genau weiß ich’s noch nicht. Was ich aber sicher weiß:  Schon bald werde ich wieder am Bahngleis zu finden sein. Mit kindlicher Erwartung auf neue Eindrücke und Tagträume, die meine Seele baumeln lassen.

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Titelbild: Clem Onojeghuo/Unsplash unter CC0 Lizenz