Micro-Cheating: Wenn Insta-Like zu Insta-Betrug wird
Ab wann ist Betrug in einer Beziehung wirklich Betrug? Dieser alteingesessenen Frage sind schon viele Dating-Laien und -Profis gleichermaßen nachgegangen. Aber als hätte die Menschheit keine schlimmeren Probleme, oder generell einfach besseres zu tun, ist jetzt irgendeine gelangweilte Person auf die Idee gekommen, dem Kind einen neuen Namen zu geben: „Micro-Cheating“. Ein wehleidiges Jammern einer Generation, die das Dating zerstört hat.
Vertrauen ist gut, alles andere ist besser
Eins vorweg: natürlich ist diese Frage, ab wann denn nun Partnerin oder Partner vom heiligen Pfad der Beziehungstreue abgekommen ist, eine ernste Sache. Denn anscheinend fällt es uns Menschen in einer Überflut an Dating-Apps immer schwieriger, dem Partner zu vertrauen. Der Technologie verdanken wir zwar Tinder, Bumble, Grindr und Co., aber eben auch Tracking-Apps und Google Maps. Während wir früher einen potenziell fremdfischenden Partner noch per Privatdetektiv beschatten mussten, geht das heute ganz leicht mittels (Whats)App. What a time to be alive!
Die australische Psychologin Melanie Schilling prägte den Begriff „Micro-Cheating“ als erste unter diesem neuen, frischen Namen. Kurz gesagt ist „Micro-Cheating“ nicht das, was normalerweise unter Untreue definiert wird – Austausch von Körperflüssigkeiten, zum Beispiel – sondern, wie der Name schon sagt, die kleineren Dinge. Konkret wären das laut Schilling „Indizien, die darauf deuten, dass jemand einen physischen oder emotionalen Fokus außerhalb der Beziehung hat“. Er hat eine beste Freundin? Micro-Cheating! Er macht einer anderen ständig Komplimente? Micro-Cheating!
Nun stellt sich mit Instagram und Snapchat zusätzlich die Frage, wo denn nun die Grenze gesetzt ist, soziale Kontakte zu pflegen. Wenn der Partner neben dir im Bett liegt und fröhlich Bilder anderer, hübscher Frauen liked, während man selbst brav ein Buch liest, ist das schon Betrug? Schilling meint, es komme alles auf die Intention des Partners an, ob es unbewusst geschieht oder mit Absicht. Wow, darauf wären wir jetzt nicht gekommen!
Wir definieren „Leben“ und „Liebe“ zu Tode
So gut die Intention – Anzeichen eines emotionales Betrugs aufzeigen zu wollen – auch ist, gibt es uns leider aber auch immer mehr Anlass, das Leben und zwischenmenschliche Beziehungen tot zu definieren. Alles muss markiert werden, überall muss unser Stempel draufkleben. Für Leute, die gerne mit einem Etikettiergerät durch ihr Leben laufen, mag das vielleicht beruhigend erscheinen, beim Rest geht dabei einfach nur das Vertrauen in die Menschheit flöten. Kommunikation scheint in dieser Diskussion auch fremd zu sein, denn auf die Idee, dass Probleme gelöst werden können, indem man sie anspricht, ist wohl noch keiner gekommen. Stattdessen soll die Lösung also sein, sich schmollend in eine Ecke zu verziehen und darüber zu lamentieren, dass unser Partner uns mikrobetrügt. Jede Interaktion mit anderen Menschen kann als Mikrobetrug uminterpretiert werden, und am Ende beschuldigen wir jedes Lächeln des Micro-Cheatings – oder werden des Micro-Cheatings beschuldigt. Danke für nichts! Übrigens: wer sich wirklich unwohl in einer Beziehung fühlt, dem steht die Option des Schlussmachens eigentlich fast immer offen.
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Bildquelle: Unsplash unter CC0 Lizenz