Arm und Reich: Wer gehört wirklich zur Mittelschicht?

In der oberen Einkommensschicht waren 2018 sieben Prozent der deutschen Bevölkerung, in der unteren wiederum ganze 29 Prozent. Nur 64 Prozent gehören faktisch zur Mittelschicht. 1995 waren es noch deutlich mehr, seitdem ist die unterste Einkommensschicht um fünf Prozent gewachsen, die obere nur um ein Prozent. Mit dem Rechner des Instituts der deutschen Wirtschaft aus Köln kann man sein persönliches Einkommen einfach vergleichen.

Doch neben dem monatlichen Einkommen gibt es einen weiteren Faktor, der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderbringt: das Vermögen. Viele Menschen in Deutschland nehmen die Einkommensungleichheit als Problem wahr (unterschätzen aber immer noch das Ausmaß). Anders beim Vermögen: Die Vermögensungleichheit wird geringer eingeschätzt als die des Einkommens. In der Realität ist allerdings das Gegenteil der Fall.

Während die oberen zehn Prozent “nur“ 15 Prozent des Einkommens beziehen, besitzen sie mehr als 40 Prozent des Vermögens in Deutschland. Diese Fehleinschätzungen haben direkte politische Folgen: nämlich keine. Wer sein Einkommen und Vermögen für größer hält als es real ist, engagiert sich schließlich auch nicht für eine bessere Umverteilung. Dadurch stellen sich auch immer wieder große Teile der Bevölkerung gegen eine höhere Erbschafts- oder Vermögenssteuer, obwohl diese nur einen kleinen Teil der Gesellschaft betreffen würden.

Was tun?

Victoria Beckham, Friedrich Merz und Olaf Scholz sind nicht die Einzigen, die ihr Einkommen und Vermögen falsch bewerten. Auch Menschen aus der unteren Einkommensschicht schätzen ihren finanziellen Status oft falsch ein – mit direkten politischen Folgen. Was kann man dagegen machen?

Erstens braucht es besser informierte Diskussionen. Wir alle, insbesondere ärmere Menschen, müssen ein größeres Bewusstsein für die Einkommens- und Vermögensungleichheit und deren Folgen schaffen. Zweitens braucht es mehr Austausch. Es muss mehr Orte geben, an denen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und aus verschiedene Schichten in Kontakt kommen. Es würde leichter fallen, sich seiner Privilegien oder seiner Nachteile bewusst zu werden. Und drittens braucht es Ideen der Parteien. Die Chancen auf sozialen Aufstieg sinken, immer weniger Menschen errechnen sich im Vergleich zu ihren Eltern bessere Aufstiegschancen. Die Parteien müssen Antworten auf die Fragen liefern, wie die Chancengleichheit verbessert und die Möglichkeiten auf sozialen Aufstieg erhöht werden können.

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Bildquelle: Juan Marin via Unsplash; CC0-Lizenz