Demonstranten mit LGBTIQ-Flaggen

Osteuropa, Homophobie und wütende Omas

Homophobie als Deckmantel tiefgreifender Probleme

Woher kommt also die vermeintliche Homophobie des Ostens?

Aus dem Streit um Gleichstellung entwickelte sich ein ost-westlicher Kulturkampf. Soziologe Andreas Langenohl erklärt in einem Interview gegenüber Amnesty International, dass das Thema der Homophobie instrumentalisiert wurde, um sich vom Westen abzugrenzen. „Es besteht in Russland eine enge Verbindung von Homophobie und der Ablehnung Europas. Das kann man in Talkshows des russischen Fernsehens immer wieder hören“, so Langenohl. Er fügt aber noch ein weiteres Argument an. Das bereits erwähnte Verbot der „Propaganda von nicht traditionellen Beziehungen gegenüber Minderjährigen“ richtet sich nicht nur allein gegen Schwule oder Lesben, sondern verhindert, dass andere gesellschaftliche Gruppen – „beispielsweise NGOs“ sich mit Schwulen und Lesben solidarisieren können. Somit würde Homophobie instrumentalisiert werden, um den Handlungsspielraum der Gesellschaft weiter einzuschränken. 

Gegenüber dw.com hebt Sexualforscher Martin Dannecker hervor, dass Schwule besonders gehasst würden, weil „sie für Passivität stehen“. Dieses Schicksal, sich passiv zu fühlen, teilen ganze östliche Nationen: Die ständige Belehrung oder Zurechtweisung durch den Westen, der sich gerne als spendender und gebender Teil inszeniert. Besonders für den teils sehr nationalstolzen Osten eine Form der Schmach. 

Fourat Ben Chikha, Generalberichterstatter der LGBTI-Menschen in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, vermutet bei ARTE aber noch ein ganz anderes Motiv.

„Das ist eine Strategie, um nicht über die wahren Themen zu sprechen, die auf dem Tisch liegen. Die Wirtschaft, die steigende Arbeitslosenrate und Investitionen im öffentlichen Sektor.“

Der Kampf für mehr Freiheit

Gründe, die zu teilweise ernüchternden Entwicklungen führten, wie das Beispiel Polen zeigt. Ende September 2020 reisten Ulle Schauws und Sven Lehmann von den Grünen für drei Tage in das deutsche Nachbarland, um als „Europäer*innen“ Diskriminierung zu bekämpfen. In dem Kurz-Trip war auch ein Treffen mit Jan Duda, dem Präsidenten des Regionalparlaments von Klein-Polen, geplant, der aber am Tag der Anreise absagte. Stattdessen erhielten die Beiden ein offizielles Schreiben, welches versicherte, dass es keine Diskriminierung gegenüber LGBTIQ gäbe – eine Einschätzung, die Bartek Staszewski nicht teilt.