Ein Emoji ist „Wort des Jahres“ 2015: Echt jetzt?
Wir benutzen ihn bei WhatsApp und Facebook, manchmal sogar auf Zetteln, die wir unseren Mitbewohnern hinterlegen: Der Lachsmiley. So hieß er jedenfalls früher, hören wir uns in nostalgischem Ton sagen. Heute ersetzen ihn kleine animierte Gesichter namens Emoji, am häufigsten verwendet mit Tränen der Freude in den Augen. So manch einer macht sich einen Spaß daraus, ganze Konversationen bei WhatsApp und Co mit knallbunten Bildern statt Worten zu führen.
Jetzt hat ein Emoji zum ersten Mal überhaupt Einzug in ein Wörterbuch gehalten. Nachdem im letzten Jahr noch ein Wort im eigentlichen Sinne, der Begriff „vage“ oder auf Deutsch „E-Zigarette“, gewann, kürte das Oxford Dictionary nun den Freudentränen-Emoji zum „Wort des Jahres“ 2015. Die aus Japan stammenden graphischen Symbole haben längst das Internet erobert, Emoticons als Smileys wie der Klassiker :-) sind schon lange Schnee von gestern, Kawaii Faces wie ^_^ eher was für die Nerds unter uns. Selbst Hillary Clinton ruft ihre Twitter-Follower zum Feedback in Form von Emoji auf. Und den konservativen Sprachliebhabern bleibt nur noch zu sagen: Echt jetzt?
How does your student loan debt make you feel?
Tell us in 3 emojis or less.— Hillary Clinton (@HillaryClinton) August 12, 2015
Dass die Wahl völlig absurd ist, zeigt allein ein Blick in die offizielle Erklärung der Jury. Auf ihrer Homepage begründet Oxford Dictionaries ihren Entschluss damit, mit dem Mobiltechnologie-Unternehmen SwiftKey zusammen gearbeitet und heraus gefunden zu haben, wie häufig der Freudentränen-Emoji tatsächlich genutzt wird: „This year Oxford University Press have partnered with leading mobile technology business SwiftKey to explore frequency and usage statistics for some of the most popular emoji across the world, and ? was chosen because it was the most used emoji globally in 2015. SwiftKey identified that ? made up 20% of all the emojis used in the UK in 2015, and 17% of those in the US: a sharp rise from 4% and 9% respectively in 2014.“
Hier durchbricht der Emoji den Lesefluss, er kann eben nicht anstelle eines Wortes ersetzt werden. Warum also wird ausgerechnet ein Emoji in ein Wörterbuch aufgenommen? Sicher, wir benutzen den Freudentränen-Emoji inflationär, um dem Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung mitzuteilen: An dieser Stelle hätte ich mich kaputt gelacht. Doch graphische Symbole können die geschriebene Sprache keinesfalls ersetzen. Was Wörter von Symbolen unterscheidet, ist die geringere Gefahr, sich falsch zu verstehen. Schicke ich jemandem ein Hakenkreuz, weiß jeder, für was das Symbol steht aber noch lange nicht, was ich damit sagen will. Sie sprechen nur begrenzt für sich. Die unendliche Vielfalt an Wörtern erlaubt uns, uns präzise und gewählt auszudrücken, um Missverständnisse zu vermeiden. Oxford Dictionaries offizieller Slogan „Language matters“ dürfte damit auch verjährt sein. Vielleicht sollten anglophone Sprachforscher erstmal ein Wort für Freudentränen einführen. Die heißen bisher nämlich bloß „tears of joy“.
Beitragsbild: Jed Record