Handy in Bett

Porno-Filme: Moderne Drogen mit Nebenwirkung

14 Millionen Deutsche sehen sich regelmäßig Pornos im Internet an. Damit gehören sie so fest zum Internet wie Katzenvideos. Weltweit dürfte bereits die Milliardengrenze geknackt sein. Wohlgemerkt sprechen wir hier von Statistiken von 2017. Die anhaltende globale Pandemie dürfte immer mehr Menschen vor die Bildschirme treiben. Die US-amerikanische Pornoindustrie macht im Bereich Video schätzungsweise einen Jahresumsatz knapp neun Milliarden US-Dollar und damit fast halb so viel wie ganz YouTube. Es ist also keine Übertreibung zu sagen, dass Porno-Konsum in der Gesellschaft angekommen ist. Immer und überall sind entsprechende Videos verfügbar. Das bleibt nicht ohne Folgen, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. 

Ein Großteil der pornografischen Inhalte wird über das Smartphone konsumiert. In ihrem TEDx Talk erzählt Autorin und Leiterin der Jugendorganisation „Changing Attitudes“ Maria Ahlin von Alex, einem damals 19 Jahre alten Mann. Er war gerade einmal sechs, als er das erste mal über solche Inhalte stolperte. Die Bilder, die er sah, seien so erschreckend gewesen, dass er danach Probleme hatte zu schlafen. Dreizehn Jahre später bezeichnet er sich selbst als Porno-abhängig. Die Intensität habe mit der Zeit jedoch immer mehr zugenommen. So brauche Alex immer härtere Inhalte, um denselben Kick zu erleben. Für ihn ist klar, dass Pornos Drogen sind. 

Wie ernst ist das Ganze und ist Alex nur ein Einzelfall? Wie verändert sich eine Gesellschaft, in der insbesondere junge Menschen immer öfter ihre ersten sexuellen Erfahrungen vor dem Bildschirm und nicht im Bett erleben? In der Erwartungen an das große erste Mal von Internetseiten möglicherweise verfälscht wurden?

Wer ist besonders gefährdet?

Dr. Kornelius Roth ist Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt auf Patienten mit Sexsucht bzw. Hypersexualität. Dazu gehören auch Menschen, die er wegen ihrer Pornografie-Sucht behandelt. Dies seien vor allem die Digital Natives. „Zum Beispiel Doktoranden, die ständig vor dem Rechner sitzen. Sie haben Druck, weil sie ihre Arbeitsziele, also ihre Promotion etwa, nicht fertigbekommen“, erklärt er gegenüber aerztezeitung.com. „Andere in diesem Alter kommen, nachdem ihre Beziehung zerbrochen ist, weil der Pornokonsum gewissermaßen aufgeflogen ist. Eine dritte Gruppe der Digital Natives sind die schüchternen Männer, die noch nie Sex hatten. Bei ihnen ist der Pornografie-Konsum ein Ersatz und verhindert zugleich, dass sie überhaupt Frauen und echte, lebendige Sexualität kennenlernen.“ Aber auch ältere Männer, insbesondere zwischen 50 und 60 suchten die verlorene Sexualität in der Partnerschaft im Internet. 

Die Variante der Sucht habe zudem zugenommen. „Früher war ein Nacktfoto aufregend genug, aber keine Überforderung. Meine Patienten waren um die 50 Jahre alt (…). Heute kommen schon die jungen Leute mit Anfang 20. Für sie ist Pornografie überall verfügbar, und sie greifen zu. Es ist wie beim Alkohol: Wenn es weniger davon gibt, gibt es weniger Alkoholiker. Wenn es mehr davon gibt…“