PTBS – Wie verarbeitet man ein Trauma?

Verschiedene Menschen gehen auf verschiedene Weise mit Dingen um, die ihnen widerfahren sind. Nicht jeder verarbeitet ein Trauma auf die gleiche Art. Doch welche Arten gibt es, mit traumatischen Ereignissen umzugehen? Der Film „Un año, una noche” (zu Deutsch: Ein Jahr, eine Nacht) zeigt verschiedene Wege auf.

Einer der vielen Vorteile, die es mit sich bringt, in Berlin zu leben, ist die Berlinale. Wer schaut nicht gern meist anspruchsvolle Indie-Filme, die im Rahmen eines Wettbewerbs in edlen Kinos und Theatern Premiere feiern?

Es passiert nicht oft, dass ich Filme mag, und vor allem: dass ich sie als kurzweilig empfinde. Bei „Un año, una noche” war gleich beides der Fall. Als ich den Film im Rahmen der Berlinale gesehen habe, war ich wirklich nachhaltig beeindruckt – und verstört zugleich. Obwohl der Film ganze 130 Minuten über die Leinwand flimmerte, kam es mir vor, als wäre es eine halbe Stunde gewesen.

Meine Freundin und ich schauen den Film im Friedrichstadt-Palast – ein wunderschönes Theater in einer der edelsten Gegenden der Stadt. Wir treffen uns davor, laufen schließlich zusammen in das Theater hinein, nehmen Platz in dem riesigen Saal. Und dann beginnt der Film, in dem es darum geht, wie verschiedene Menschen damit umgehen, den Terroranschlag miterlebt und überlebt zu haben, der am 13. November 2015 im Bataclan stattfand – ein Pariser Theater.

Es hat etwas Unbehagliches, in einem riesigen Theatersaal Filmszenen zu sehen, in denen in einem Theater ein Terroranschlag verübt wird. Meine Freundin und ich saßen ziemlich weit vorn und haben uns mehrmals leicht panisch umgedreht, als wir die entsprechenden Szenen über den ganzen Film verteilt auf der Leinwand gesehen haben. Alles an „Un año, una noche” wirkte so nahe.

In erster Linie geht es aber nicht um die Nacht der Anschläge, sondern um das darauffolgende Jahr – wie der Titel bereits sagt. Im Mittelpunkt der Handlung steht ein Paar, das an besagtem Abend im Bataclan war. Beide gehen sehr unterschiedlich mit dem Erlebten um. Während Ramón tatsächlich alles verarbeiten, alles aufschreiben und mit seiner Freundin Céline über alles reden will, was passiert ist, versucht Céline, die Geschehnisse einfach nur zu verdrängen. In der Hoffnung, eines Tages damit umgehen und wieder ein Leben ohne Panikattacken führen zu können, will Ramón sich selbst vorerst als Opfer des Anschlags betrachten; Céline will eben das auf keinen Fall.

Dadurch, dass beide dieselbe Sache erlebt haben, mit der sie auf vollkommen verschiedene Weise umzugehen versuchen, driften sie auch beziehungstechnisch auseinander – und zwar auf tragische und dennoch so ehrliche Art. Man schaut dabei zu, wie eine Beziehung an etwas zerbricht, wofür keiner der beiden etwas kann. Ich sage das nicht oft, aber bei „Un año, una noche” kann man wirklich alle Emotionen, die die Charaktere durchleben, förmlich spüren. Die Stimmung, die der Film transportiert, erfüllt den Raum. Man fühlt es. Man fühlt die Liebe zwischen Ramón und Celine, man fühlt die Nähe zwischen ihnen. Aber man fühlt auch die Distanz, das Unbehagen. Die Charaktere sind nahbar, der Film ist echt – obwohl es sich nicht um einen Dokumentarfilm handelt.   

Die Handlung des Films hört sich vielleicht simpel an – kann aber auch einige Überraschungen bereithalten, wenn man nur bereit ist, genau hinzusehen. Was er uns in erster Linie vermittelt, ist, dass jedes Trauma individuell ist.

Wann der Film in Deutschland seinen Kinostart feiert, ist noch nicht bekannt. Bei „Un año, una noche” handelt es sich wahrscheinlich nicht um einen Film, der in den UFA-Kinos oder anderen Mainstream-Lichtspielhäusern der Welt laufen wird. Aber falls ihr Fans von Kunstfilmen und kleineren Indie-Kinos seid: Vielleicht denkt ihr ja an diesen Artikel, sobald der Film dann offiziell läuft.

Er ist definitiv einen Besuch und mehr als nur einen Blick wert – eben weil es so vieles gibt, was man auf dieser riesigen Leinwand entdecken kann. Hier ein kleiner Einblick:

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Bildquelle: Berlinale