Ramadan Enthaltsamkeit Gespräch Fasten

„Der Ramadan ist ein Katalysator für Spiritualität“

Der Sinn hinter dem Fasten ist die Enthaltsamkeit. Hat dir die Erfahrung gezeigt, dass der Fastenmonat aus diesem Grund unabhängig von religiösen Bräuchen und Traditionen etwas Sinnvolles für alle Menschen wäre?

Es gibt in der Tat viele wissenschaftliche Studien, die belegen, dass Fasten gut für den Körper und die Entgiftung ist. Darüber hinaus finde ich persönlich, dass in unserer Gesellschaft, die geprägt ist von Stress, Konsumsucht, Egozentrismus, Individualismus und von der sofortigen Befriedigung aller „Bedürfnisse“, es durchaus eine lehrreiche Erfahrung für alle Menschen wäre. Diesbezüglich ist der Ramadan durchaus eine Heilung, denn dieser Monat bringt uns respektive Besinnlichkeit und Bewusstsein, Enthaltsamkeit, Gemeinsamkeit, Geschwisterlichkeit und Geduld bei. Die Dankbarkeit und Freude, die man beim Fastenbrechen empfindet, ist unvergleichlich.

Der Ramadan lehrt, dass es neben all dem Streben nach Materialismus auch noch eine seelische Dimension gibt, die es zu nähren gilt. Bei dem vorherrschenden spirituellen Vakuum, das wir in unserer heutigen Zeit erleben, ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen eine innere Leere verspüren, die sie mit „Entertainment“, „Genußmitteln“, übermäßigem Essen oder sonstigen Abhängigkeiten zu stopfen versuchen. Muslime wissen, dass diese Leere mit spirituellen Inhalten dauerhaft gefüllt werden kann. Es ist auch eine Lektion in Selbstlosigkeit, eine Zeit, in der das geschwätzige Ego abgeschaltet oder zumindest gebändigt wird. Man ist quasi wieder Herr seiner Sinne.

Wie strikt ziehst du die Enthaltsamkeit durch? Es geht ja nicht nur um den Verzicht von Essen und Trinken, sondern auch um andere Dinge wie Tabak, Alkohol und Sex. Gibt es eine dehnbare Auslegung des Ramadan?

Nein, die gibt es nicht. Es gibt zwar Ausnahmen, beispielsweise bei schwangeren Frauen, Krankheit oder Altersschwäche, aber der Sinn der Sache ist im Grunde Selbstdisziplin. Darum geht Ramadan nicht strikt oder locker, sondern nur ganz oder gar nicht. Darüber hinaus sind ja Alkohol und Tabak im Islam grundsätzlich verboten, da man dem Körper nichts zufügen darf, das ihm schadet. Sex wäre eher kontraproduktiv, da man sich ja auf körperlicher Ebene verausgabt und es auch sonst nicht sehr meditativ ist. Es geht ja tagsüber darum, näher zu Gott zu kommen, nicht körperlich zum Ehepartner. Davon mal abgesehen ist es mit dem Sex so wie mit dem Essen, Vorfreude ist auch eine Freude und Geduld wird immer belohnt.

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Bildquelle: Harold Litwiler unter cc by 2.0