Ein Pferd springt mit seiner Reiterin über eine Hürde

Reitsport bei Olympia: Muss das sein?

Leider stieß die Kritik der Expert*innen sowie der zahlreichen TV-Zuschauer*innen, welche ihrem Ärger in den sozialen Netzwerken Luft machen, nicht gerade auf offene Ohren. Der Weltverband im Modernen Fünfkampf ließ zwei Tage nach den Vorfällen verkünden, die Unvorhersehbarkeit der Paarungen sei „Teil des dramatischen Spektakels“, welches zur Spannung und Einzigartigkeit des traditionsreichen Sports beitragen würde. Man werde die Geschehnisse rund um Annika Schleu jedoch „einer vollständigen Überprüfung“ unterziehen und dabei auch das „Wohlergehen der Pferde“ in den Blick nehmen. Einsicht und Reformbereitschaft klingen anders.

Was von vielen Menschen noch immer außer Acht gelassen wird: Die Ereignisse im Modernen Fünfkampf erscheinen zwar besonders nervenaufreibend, um einen Einzelfall handelt es sich hierbei aber keinesfalls. Nur wenige Tage vor Annika Schleus verpatzten Ritt musste der Wallach Jet Set nach einem irreparablen Bänderriss in der Vielseitigkeit eingeschläfert werden. Während sein Reiter, der Schweizer Robin Godel, erstmals olympische Luft schnuppern durfte, endete Jet Sets Reise nach Japan mit dem Tod. An diesem erschreckenden Beispiel zeigt sich erneut, was Tierschützer*innen schon lange kritisieren: Im Leistungssport werden Pferde weniger als Lebewesen, sondern vielmehr als Sportgeräte betrachtet. Wie Fahrräder, Kanus oder anderes Equipment werden die Tiere im Vorfeld per Luftfracht zum Austragungsort transportiert – ganze 247 Pferde mussten die beschwerliche Reise von Lüttich nach Tokio in diesem Jahr auf sich nehmen. Immer wieder hört man das Argument, Sportpferde seien diese Tortur gewöhnt – warum sie sich aber überhaupt daran gewöhnen mussten, bleibt unbeantwortet.

Reitsport ist spannend und eindrucksvoll, keine Frage. Doch als olympische Disziplin taugt er meines Erachtens nicht. Wenn Mensch und Tier sich auf Augenhöhe begegnen und die Bedürfnisse der Pferde berücksichtigt werden, spricht nichts gegen den sportlichen Vergleich mit anderen Reiter*innen – aus diesem Grund ist eine Beanstandung der aktuellen Vorfälle auch keine allgemeine Kritik an allen Hobbysportler*innen, die mit ihren Pferden regelmäßig an regionalen Wettbewerben teilnehmen. Wer Tiere jedoch nur als Mittel zum Zweck ansieht und sie dafür monatelangen Strapazen und Quälereien aussetzt, sollte seinen persönlichen Bezug zum Reitsport noch einmal überdenken. Es bleibt zu hoffen, dass die Olympischen Spiele den Anlass bieten, dies zu tun – und Paris 2024 bestenfalls ohne Pferde auskommt.

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Bildquelle: Sergey Semin on Unsplash, CC0-Lizenz