Russlan, 31, will mit seinem Kunstprojekt die Beziehung zwischen Deutschland und Russland verbessern
Auch wenn wir nun ausgeschieden sind, die Weltmeisterschaft 2018 ist noch im vollen Gange. Alle Medien berichten über das Sportspektakel, dass sich zur Zeit im größten Land unserer Erde – Russland – abspielt. Wir erfahren von Lächel-Kursen vor der WM, sehen wunderschöne Aufnahmen von Moskau und jeder zweite Reporter hält die fast schon klischeehaften Matrjoschka-Puppen in die Kamera. „Was wir allerdings nicht mitbekommen, ist das Persönliche“, erklärt der Künstler Russlan Tintschurin ZEITjUNG im Interview.
Der 31-Jährige lebt seit seinem achten Lebensjahr in Deutschland, hat hier studiert, wohnt und arbeitet als Illustrator in Hamburg. An seine Kindheit in Russland erinnert er sich gerne. „Jeder, der schon einmal bei einer russischen Familie zum Essen eingeladen war, weiß, was für ein besonderes Ereignis das ist. Die Leute ticken einfach ein bisschen anders. Sie haben ein ganz anderes Verständnis von Freundschaft, von Familie, von Respekt. Aber die Kultur und die Mentalität der Menschen gehen bei Events wie der Weltmeisterschaft leider unter“, meint er. Doch genau das will er ändern. Mit seinem Cowdfunding-Projekt „Der fremde Blick: gezeichnete Erinnerungen“ , in dem er seine Kindheit in Russland, Kasachstan und Deutschland mit Hilfe von Zeichnungen neu beleben möchte, nahm er beim internationalen Wettbewerb „UNCAGED NIGHTS“ von Tiger Beer teil. „Deutschland und Russland sind sich seltsam nah und fremd“, heißt es in der Beschreibung seines Konzepts. Doch er ist Teil beider Welten und will Missverständnisse, die durch verschiedene Weltbilder entstanden sind, aus dem Weg räumen und so die Beziehung zwischen den Ländern stärken.
„Ich bin schon ein kleiner Geek“
Mit dem Zeichnen begann Russlan, der häufig auch Rudi genannt wird, bereits sehr früh. Seine Kindheit in Russland war geprägt von Trickfilmen und Comics. Die Transformers und Ninja Turtles lösten in ihm eine Begeisterung für Kunst aus, die sich über die Jahre immer weiterentwickelte. „Ich bin schon so ein kleiner Geek, besitze Comics, schaue Trickfilme – aber alles noch im Rahmen“, berichtet Russlan lachend. Bereits mit vier Jahren greift er zu Stift und Papier und beginnt damit seine Karriere als Illustrator. „In Hamburg habe ich dann noch ein Studium hinterhergeschoben, aber die meisten Skills hatte ich bereits davor“, erzählt er stolz.
Missverständnisse zwischen Deutschland und Russland
Das neu gestartete Projekt liegt ihm besonders am Herzen. In seiner Tätigkeit als Illustrator kann er seine Kreativität zwar ausleben, allerdings kommen die Impulse immer von außen. „Es ist einfach nie etwas Eigenes“, meint er. Also stellt er sich selbst die alles entscheidende Frage: „Was willst du eigentlich wirklich machen?“ Auf der Suche nach einer Antwort durchforstet er alte Familienfotos, recherchiert zu Ereignissen in seiner Jugend und wühlt in seinen Kindheitserinnerungen. Eine Sache sticht dabei heraus: Seine Faszination für die Missverständnisse seiner beiden Heimatländer Deutschland und Russland. Den größten Unterschied sieht Russlan im Bewusstsein: „In Deutschland ist es ruhig und sicher, es gibt auch eine gewisse Stabilität. Menschen, die noch nie eine andere Zeit erlebt haben – also unsere Generation – denken, das wäre normal. Aber das ist es nicht.“ Seine Jugend in Russland war turbulent, geprägt von Inflation, Auseinandersetzungen und Werteverfall. Viele Menschen, die in Deutschland sehr behütet aufwuchsen, können das nicht nachvollziehen. Er verfolgt die Nachrichten unterschiedlicher Länder und stellt fest, dass sie auf das selbe Ereignis ganz unterschiedlich reagieren. Der Grund dafür sind seiner Meinung nach hauptsächlich unterschiedliche Weltbilder: „Man sieht die gleiche Sache und zieht komplett andere Schlüsse. Dieses Unverständnis untereinander finde ich total faszinierend.“
„Was wir nicht einschätzen können, das macht uns Angst.“
Doch woher kommen die unterschiedlichen Ansätze? Wieso sind wir uns denn so fremd? Russlan hat eine Antwort: „Eine Gruppe von Menschen lebt in der selben Region, spricht die selbe Sprache, hat die selben Erfahrungen gemacht. Wenn jetzt jemand in diese Gruppe kommt, der die Welt ganz anders sieht, weil er in einer anderen Region, mit einer anderen Sprache und anderen Erfahrungen aufgewachsen ist, dann kann die Gruppe diesen Menschen nicht verstehen, nicht einschätzen. Und was wir nicht einschätzen können, das macht uns Angst.“ Diese Angst lässt sich auf Ur-Triebe des Menschen zurückführen. Denn vom Unbekannten geht immer erstmal eine Gefahr aus. Doch heutzutage leben wir in einer modernen Zeit und sollten versuchen, andere Wege zu finden, mit Fremden umzugehen und sie zu verstehen. Das will Russlan mit seinem Projekt und der Geschichte seiner Kindheit künstlerisch umsetzen.
Dass er wirklich Talent hat, durfte er zuletzt beim UNCAGED NIGHTS FINALE in Berlin zum Besten geben. Der Wettbewerb, der im Frühjahr von dem asiatischen Premium-Lager Tiger Beer in 13 Ländern weltweit veranstaltet wurde, fördert kreative, junge Menschen und ihre Projekte. Im Finale in Berlin musste Russlan beim Live Art Battle gegen seine drei Mitstreiter ankämpfen – und gewann! Kaum verwunderlich, denn Russlan kann nicht nur verdammt gut zeichnen, sondern steht auch gerne im Rampenlicht. Einen Plan oder ein Konzept für sein live gemaltes Bild hatte er vorher nicht. „In dem Augenblick, in dem das Bild aus einer Linie – from scratch – entsteht, wirkt es ein bisschen magisch“, schwärmt er. „Es verzaubert die Leute – hoffe ich zumindest.“ Ganz offensichtlich tut es das. Als Gewinner des deutschen Contests fliegt Tiger Beer den jungen Künstler zum UNCAGED Festival nach Seoul in Südkorea. Worauf er sich am meisten freut? Kultur, koreanische Gastfreundschaft – und natürlich – das koreanische Essen.
Folge ZEITjUNG auf Facebook, Twitter und Instagram!
Bildquelle: Tiger Beer