Yuri Russland

Wie junge Menschen in Russland für eine bessere Zukunft kämpfen

 

Anastasia, 20, Human Library St. Petersburg

 

Das Konzept von Human Library ist ganz einfach zu verstehen. Es gibt zum einen die „Bücher“; das sind Menschen mit scheinbar kontroversen Lebensgeschichten, also zum Beispiel Leute aus der LGBT-Community, Prostituierte oder Menschen mit Migrationshintergrund – kurz gesagt: Menschen, die einer Minderheit in der Gesellschaft angehören. Zum anderen gibt es noch „Bibliothekare*innen“, welche den interessierten Teilnehmern*innen kurz die “Bücher” vorstellen. Danach bekommt jede(r) Besucher*in eine Karte, kann sich an einen Tisch setzen und die Geschichte des “Buches” anhören. Anschließend diskutieren alle zusammen.

“Leute haben oft Vorurteile. Ein Gespräch kann das ändern”, sagt Anastasia, eine der vielen Freiwilligen, die mithelfen, diese Treffen zu organisieren. Sie habe das Gefühl, dass viele Bewohner*innen der Stadt St. Petersburg nicht besonders tolerant sind. Geht es nach ihr, sei es aber wichtig, Vorurteile abzulegen und weltoffener zu sein. “Jeder Mensch ist wichtig, man sollte deswegen versuchen, seine Mitmenschen zu verstehen”, erklärt die junge Medizinstudentin. Jeder sei anders und habe eine andere Meinung, das solle man akzeptieren.

 

Vorurteile abbauen, Befangenheit überwinden

 

Einfach sei das aber nicht immer. ”Ich hatte anfangs eine unterschwellige Angst vor Muslimen”, sagt Anastasia. Vorher hat sie sich noch nie mit jemandem unterhalten, der nach dem muslimischen Glauben lebt. “Ich habe mich im Internet über sie informiert und mit Bekannten gesprochen und so hat sich ein negatives Bild von Muslimen bei mir im Kopf entwickelt”, erklärt sie. Doch sie habe sich länger mit einer Muslimin unterhalten, die bei einer der Veranstaltungen der Human Library gewesen sei und jetzt habe sie die Befangenheit überwunden.

Äußerst schade sei jedoch, dass die nächste Veranstaltung in der “Lenin Bibliothek” abgesagt wurde. “Wir haben nachgefragt, warum, haben aber keine zufriedenstellende Begründung bekommen”, erzählt Anastasia. Von Seiten der Leitung der Bibliothek hieß es nur, man wolle keine Homosexuellen oder ehemaligen Gefängnisinsassen*innen als „Bücher“ haben.