Alles oder nichts: Was sind eigentlich Scanner-Persönlichkeiten?
Katrin ist ein Multiprofessional. Andere Menschen würden vielleicht sagen, sie hat eine Scanner-Persönlichkeit. Sie interessiert sich für alles und lässt sich schnell von neuen Impulsen mitreißen. Gleichzeitig wird ihr sehr schnell langweilig. Dass diese Charaktereigenschaft nichts mit ADHS zu tun hat und worin die Stärken von Scanner-Persönlichkeiten liegen, erzählte sie mir in unserem Gespräch.
„Manchmal frag ich mich echt, wo mir der Kopf steht“, erzählt Katrin, während sie ihren Schreibtisch nach den Notizen für die Uni durchsucht. „Warte, ich hab’s gleich“ Sie lacht und schüttelt den Kopf über sich selbst. Seitdem ich Katrin kenne, hat sie den Kopf in den Wolken, wie meine Mutter sagen würde. Egal wann man sie trifft, sie hat immer etwas zu erzählen. In der einen Woche begeistert sie sich für Makramee, in der nächsten macht sie einen Töpferkurs und zwei Monate später lernt sie hochkonzentriert Japanisch. Aktuell macht sie einen Master in kreativem Schreiben, arbeitet als Social Media Managerin und plant einen Auslandsaufenthalt in Ghana. In Katrins Leben passiert in drei Monaten mehr als bei mir in 5 Jahren. Für mich war unsere Freundschaft auf chaotische Art und Weise immer sehr bereichernd, doch ich habe auch mitbekommen, wie sehr Katrin selbst in ihrer Jugend unter ihrer Sprunghaftigkeit litt.
Eins nach dem anderen
„Früher habe ich von meinem Umfeld häufig gehört, ich müsse mich mal entscheiden. Man könne nun mal nicht immer alles machen und man solle auch mal an einer Sache dranbleiben.“ Katrin schüttelt den Kopf und zieht dann triumphierend ein vollgeschriebenes Blatt aus einem Stapel von Dokumenten hervor. „Ordnung ist das halbe Leben.“ Der ironische Unterton entgeht selbst mir nicht. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie schlecht ich mir als Jugendliche vorgekommen bin. Während andere Mädchen in meinem Alter seit Jahren Klavier lernten oder ein und denselben Hiphop-Kurs besuchten, fing ich ständig neue Dinge an und ließ alte Leidenschaften dann links liegen. Ich erinnere mich an ein Jahr, in dem ich jeden Tag etwas anderes machte. Montags Gymnastik, dienstags Einrad, mittwochs Flöte, usw. Ich machte irgendwie alles, aber nichts mit Ausdauer. Das Problem habe ich manchmal heute noch.“
Mit 8 Jahren ging ihre Mutter mit Katrin zum Arzt. Das Kind sei so unkonzentriert und könne nur schwer stillsitzen. „Damals glaubte meine Mum ich hätte ADHS“, erzählt Katrin. Der Arzt konnte jedoch nichts feststellen und riet der Mutter Katrin zu Dingen zu ermutigen, die sie nicht anregen, sondern entspannen würden. „Yoga ist tatsächlich das einzige Hobby, was ich seit Jahren fast täglich mache.“ Gleiches gilt für die abendliche Meditation vor dem Schlafengehen. „Beides hilft mir sehr dabei, mich zu entspannen“, meint Katrin und setzt sich neben mich auf das Bett. „Dank Instagram bin ich vor vier Jahren auf den Begriff ‚Scanner-Persönlichkeit‘ getroffen und alles was da stand traf auf mich zu. Die Sprunghaftigkeit, die Neugierde, die Vielfältigkeit meiner Interessen. Ich klemmte mich also hinter meinen Rechner und begann zu recherchieren.“ Katrin stieß auf eine Vielzahl an Blogs, Websites und Coaches, die sich mit dem Thema Scanner-Persönlichkeit beschäftigten.