Allzu oft schweifen unsere Gedanken einfach ab. Bild: Pexels

Tagträume: Wenn das Gehirn Pause macht

Es ist ein Dilemma. Ich sitze am Schreibtisch und müsste jetzt in den nächsten 2 Stunden mal so richtig produktiv sein. Danach ist der Tag nämlich durchgetaktet und ich habe keine Zeit mehr. Also, Kopfhörer rein, Konzentrationsmusik an und los geht’s.

Also, worüber möchte ich eigentlich schreiben? Mein Blick schweift zum Fenster. Draußen sitzt ein Eichelhäher auf dem Handlauf des Geländers und schaut ebenso konzentriert zu mir herein, wie ich zu ihm hinaus. Was der wohl denkt?

Okay, stopp. Ich wollte mich doch konzentrieren. Ich schaue auf die Uhr. Super, wieder 5 Minuten vergangen. Das kann doch nicht wahr sein, an manchen Tagen fällt mir das Schreiben so leicht und an anderen geht nichts. Da kann ich mich auf den Kopf stellen. Es bringt nichts.

Irgendwann im Laufe meines beruflichen Lebens musste ich die Erfahrung machen, dass gute Ideen meistens genau dann kommen, wenn man keinen Stift zur Hand hat und mein Hirn auf Durchzug schaltet, sobald ich etwas Gehaltvolles aufs Papier bringen soll.

Wobei Durchzug hier eigentlich das flasche Wort ist, denn ich denke ja nie nichts. Stattdessen schweifen meine Gedanken ab, zu einer alternativen Idee meines Lebens, zum letzten Sommerurlaub und all den „Was wäre Wenns“, die man tagtäglich so mit sich rumschleppt. Was wäre, wenn ich jetzt nicht hier im kalten Deutschland sitzen würde, sondern ein kleines Hotel am Strand führen würde? Was, wenn ich mich doch für ein anderes Studium entschieden hätte?

Hätte, könnte, würde, wollte

Dabei geht es gar nicht darum, dass ich mein Leben, so wie es ist, nicht mag. Ich bin aktuell sogar sehr glücklich, doch mein Gehirn scheint diese Tagträumerei als eine Art Übersprungshandlung zu nutzen. So, wie ich in unbeobachteten Minuten in Social Media versinke, öffnet mein Kopf 50 Tabs und springt durch die verschiedensten Lebensentwürfe.

Bereits als Kind war ich Profi im Tagträumen. Ganze Französischstunden verpasste ich, weil ich kleine Männchen auf die Ränder meiner Hefte kritzelte und in meiner eigenen Fantasie versank. Mit der Zeit wurde mir jedoch bewusst, dass ich mir diese Träumereien nicht auf ewig werde leisten können. Eine 4 in Französisch auf dem Zeugnis war ja noch zu verkraften gewesen, aber spätestens im Studium brauchte ich schon meine ganze Aufmerksamkeit, um mitzukommen.

Dennoch gibt es auch heute noch Orte, an denen ich außerordentlich gerne träume: in Zügen zum Beispiel oder im Wartezimmer vom Arzt. Das geht nicht nur mir so. Läuft man mal bei einer langen Fahrt durch ein Zugabteil, so sieht man eine ganze Menge Leute, die lieber aus dem Fenster starren, anstatt sich mit ihren Mails zu beschäftigen.