Allzu oft schweifen unsere Gedanken einfach ab. Bild: Pexels

Tagträume: Wenn das Gehirn Pause macht

Doch wie gesund ist das Tagträumen?

Psycholog*innen sprechen bei Tagträumen eher von aufgabenunabhängigem Denken (task-unrelated thoughts), denn man denkt dabei ohne Zweck in einem Zustand der Ruhe. Hierbei träumen Menschen häufig in Bildern und haben sehr lebhafte Fantasievorstellungen über die Gegenwart oder Zukunft. Doch können sich Tagträume auch in die Vergangenheit richten. Das passiert häufig in Situationen, die bei uns für Unzufriedenheit gesorgt haben. Wie hätte ich in dem Gespräch besser reagieren können? Was würde ich meinem Ex am liebsten noch sagen? Aus solchen Tagträumen können wir tatsächlich etwas für die Zukunft lernen. Unser Gehirn verarbeitet während der Träumerei bereits Erlebtes und ordnet es neu ein. Wir sind besser vorbereitet für ähnliche Situationen.

Darüber hinaus sorgen Tagträume dafür, dass wir ausgetretene Pfade verlassen. Was würde ich tun, wenn ich jetzt in Panama wohnen würde? Wie kommunizieren eigentlich Giraffen? Fragen, die mit unserem Alltag nichts zu tun haben, können in Tagträumen plötzlich relevant werden.

Der Harvard-Psychologe Daniel Gilbert und sein Team haben herausgefunden, dass wir fast die Hälfte unserer Lebenszeit nicht auf unsere Außenwelt fokussiert sind, sprich auf das, was wir gerade tun müssen. Viel lieber schweifen wir ab. Dafür müssen wir uns aber nicht schuldig fühlen. Denn Tagträume haben nichts mit mangelnder Disziplin zu tun. Sie machen uns sogar kreativer. Hirnforscher stellten bei Menschen während der Tagtraumphase mehr Alphawellen fest. Diese steigern die Erinnerungs- und Lernfähigkeit. Aber auch Produktivität und Konzentrationsfähigkeit werden gesteigert. Das liegt daran, dass das Gehirn während eines Tagtraums entspannt. Wissen festigt sich so besser und lässt sich schneller abrufen.

Maladaptives Tagträumen

In den meisten Fällen sind Tagträume also unbedenklich und können sogar die Kreativität fördern. Doch manchmal können sie auch krankhafte Ausmaße annehmen. Eli Somer ist Professor an der Universität von Haifa und hat vor zwanzig Jahren angefangen zu Tagträumen zu forschen. Er und sein Team haben herausgefunden, dass etwa eine von hundert Personen unter sogenannten maladaptiven Träumen leidet. Hierbei schaffen sich Menschen ein Innenleben, in welches sie sich zurückziehen, um vor der Außenwelt zu fliehen. Einige von ihnen verbringen so mehrere Stunden, ohne die reale Welt überhaupt wahrzunehmen. Dies trifft insbesondere auf Menschen mit traumatischen Erfahrungen und starken Schmerzen zu. Diese Menschen werden richtig süchtig nach ihren Tagträumen. Wie genau diese Mechanismen funktionieren, ist bis heute jedoch noch nicht bekannt.

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Bildquelle: Whicdhemein One von Pexels; CC0-Lizenz