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Marie, 27, leidet unter chronischen Rückenschmerzen

„Ja, da würde ich Ihnen jetzt einfach mal empfehlen, ein bisschen kürzer zu treten. Keine schweren Tüten und Taschen mehr tragen, kein langes Sitzen am Schreibtisch. Und lange stehen können Sie natürlich auch nicht mehr.“

Diese Worte meines Orthopäden holten mich damals mit einem Wumms auf den Boden der Tatsachen. Eigentlich kam ich, um mir Hilfe zu holen. Und damit meinte ich Spritzen oder Wunderpillen, die mir nach zwei Minuten zu absoluter Beschwerdefreiheit verhelfen würden. Wenn ich nur gute Ratschläge wollen würde, würde ich nicht zum Arzt, sondern zu meiner Oma gehen.

„Haben Sie keine Tabletten?“, frage ich ihn. „Das dürfen Sie nicht auf die leichte Schulter nehmen, Frau Hesse!“, sagt er und schweigt dann bedeutungsschwanger. „Okay“, sage ich langsam und versuche mich möglichst elegant von der Liege herunter zu rollen. Als ich mit schmerzverzerrtem Gesicht meine Jacke anziehe, guckt er mich an. Er versucht mir direkt in die Seele zu gucken, kommt aber genau bis zu meinem vorderen Frontallappen. „Frau Hesse, das wird böse enden, wenn sie nicht anfangen, was zu ändern“, sagt er und dann noch irgendwas, das ich beim Verlassen des Behandlungszimmers schon gar nicht mehr höre.

Tabletten sind auch keine Lösung

Das war vor zwei Jahren und kann als goldener Grundstein meiner Rückenproblemkarriere bezeichnet werden. Nach dem Arztbesuch behandelte ich mich selbst immer wieder mit wärmenden Pflastern, Schmerzsalben, Stufenlage und natürlich: Tabletten. Immer ging es wieder so gut wie vorher. Bei jedem neuen Hexenschuss schwor ich mir, mehr für meinen Rücken zu tun – und doch hat am Ende Dr. Weizenbrummer (Googelt ruhig! Den Namen hat sich mein Frontallappen ausgedacht!) Recht gehabt. Nach zwei Jahren war nichts mehr mit „leichter Schulter“. Es hat sich endgültig ausgeknackt. Mein Rückenproblem ist jetzt chronisch und hat mich gefühlt gleich mal ein paar Jahre altern lassen.

Stufenlage statt Stepptanz, Bettruhe statt Badeurlaub

Rückenschmerzen erwischen jeden mal. In jedem x-beliebigen Kalendermonat des Jahres leidet ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung an Rückenschmerzen. Sie sind so unabwendbar wie das Zahlen der Steuer oder der Tod. Nach Husten und fiesen Viren sind Rückenschmerzen sogar der dritthäufigste Grund, einem Arzt einen Besuch abzustatten. Was aber löst meine, deine, unsere Schmerzen aus?

Schwer zu sagen, meint der Arzt meines Vertrauens. Am häufigsten sind Übergewichtige, Raucher, Schwangere oder Leistungssportler betroffen. Warum es mich (oder dich oder uns) getroffen hat, kann er nicht mit Sicherheit sagen. Rückenschmerzen, die ohne spezifischen Grund auftreten und uns ein paar Wochen lang quälen sind nämlich die Arschgeigen unter den Rückenschmerzen. Nicht therapierbar. Wie ein Gehirntumor.

Wenn das Messer schon im Rücken steckt…

…ist es besser, erstmal tief durchzuatmen. Oft kann man einen zwickenden Rücken mit etwas Vorsicht wieder zur Vernunft bringen. Die altbekannte Stufenlage oder ein heißes Bad kann manchmal das wieder einrenken, was sich durch das Tragen 20kg schwerer Primark-Taschen am Tag zuvor ausgerenkt hat. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn du dich nicht aufrichten, frei vor dich hin urinieren oder allein von einem Stuhl erheben kannst! Bei Schmerzen, die dir das Gefühl geben, gerade von einem VW-Transporter überrollt worden zu sein, ist ein sofortiger (ja, das kann auch Notaufnahme heißen) Arztbesuch unabdingbar. Auch ich musste mich schon von einer Freundin mit einem Taxi in die nächtliche Notaufnahme fahren und mir dort eine Spritze zwischen die Bandscheiben rammen lassen. Es kann nicht immer Schokolade sein, Leute.

„…und trotzdem ist Vorsicht nicht immer die Mutter der Porzellankiste“

Meine Mama war es jedoch, die mir sagte: „Immer in Bewegung bleiben – auch wenn es wehtut.“ Was diese Frau alles weiß, ist wirklich beeindruckend. In der Tat ergab auch eine vorsichtige Nachfrage beim Arzt meines Vertrauens die gleiche Antwort. Man solle nicht bei jedem Rückenschmerz gleich zum Arzt rennen und auf ein Röntgenbild der Wirbelsäule bestehen. Warum? Erstens: auch wenn dich deine Schmerzen glauben lassen wollen, du hättest einen gebrochenen Wirbel, ist das meistens nicht der Fall. Zweitens: das Intervenieren vom Onkel Doktor ist oft genau das, was der Rücken nicht braucht. Fehldiagnosen bezüglich Rückenschmerzen gibt es öfter als Rechtschreibfehler im Videotext von N24. Wichtig bei einem Schmerz im Rücken ist aber, dafür zu sorgen, dass der akute Schmerz, der übrigens bis zu drei Wochen anhalten kann, nicht chronisch wird. Flach auf dem Boden liegen und vor sich Hinstöhnen ist dabei genauso falsch, wie sich in den nächsten Hot-Yoga-Kurs zu quälen.

Moderate Bewegung, Stufenlage und das sanfte Kreisen der Hüften ist allerdings genau das, was deine schmerzende Rückseite braucht. Spazieren gehen hilft übrigens auch. Solltest du dich schon seit etwas mehr als zwölf Wochen mit einem schmerzenden Rücken konfrontiert sehen, zählt dieser Absatz übrigens nicht für dich. Ab zum Arzt!

Geheimtipp?

Gibt´s nicht. Warum dich die Hexe manchmal im Rücken trifft oder du zwei Wochen lang denkst, du müsstest dich beim Bücken übergeben, weiß niemand. Auch nicht der Arzt. Es kann an deinen Bandscheiben liegen, an den Muskeln drum herum, an den Sehnen oder auch an fehlenden Bauchmuskeln. Unspezifische Schmerzen im unteren Rücken sind eine nicht zu unterschätzende Epidemie unserer Zeit geworden. Was unsere Wirbelsäule für uns tut, nehmen wir viel zu oft als selbstverständlich hin. Dabei sie ist ein unheimlich fragiler Part unseres Körpers. Stundenlang wie der Glöckner von Notre-Dame am Computer zu sitzen oder 30kg Lebensmittel in einem Jutebeutel über der Schulter nach Hause zu buckeln, ist nicht gerade das, wonach sich unsere Wirbelsäule sehnt. Als immer älter werdende Gesellschaft ist jedoch die Tatsache, dass vor allem immer mehr junge Menschen über Rückenschmerzen klagen, besorgniserregend.

Deswegen: geht beim Bücken immer brav in die Knie, schleppt in euren Jutebeuteln nicht ständig euren halben Hausstand durch die Gegend und stärkt euren Rücken mit ausreichend Bewegung und ganz viel Liebe!