Schokolade gegen Depression? – Deutschland verharmlost eine Krankheit
Depressionen sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Viele Menschen tun aber genau das. Warum? Weil sie es schlichtweg nicht besser wissen. Der aktuelle Deutschland-Barometer Depression, eine repräsentative Umfrage der Stiftung „Deutsche Depressions Hilfe“ in Zusammenarbeit mit der Deutsche Bahn Stiftung hat nun ergeben, dass es da noch erheblichen Aufklärungsbedarf im Zusammenhang mit dem Thema Depressionen gibt.
Was ist eine Depression?
Was ist eine Depression denn jetzt überhaupt genau?
Die Stiftung Deutsche Depressions Hilfe liefert dazu auf ihrer Webseite eine Definition: „Aus medizinisch-therapeutischer Sicht ist die Depression eine ernste Erkrankung, die das Denken, Fühlen und Handeln der Betroffenen beeinflusst, mit Störungen von Körperfunktionen einhergeht und erhebliches Leiden verursacht. Menschen, die an einer Depression erkrankt sind, können sich selten allein von ihrer gedrückten Stimmung, Antriebslosigkeit und ihren negativen Gedanken befreien.“
Nun muss unterschieden werden, dass eine Depression im medizinischen Sinne etwas ganz anderes ist, als zum Beispiel der Gebrauch dieses Wortes im alltäglichen Leben ist. Jeder von uns kennt diese Phasen, in denen wir uns auf nichts freuen können, alles erscheint uns grau, wir sind träge, antriebslos und fühlen eine innere Leere. Das kann vielerlei Ursachen haben, seien es berufliche Schwierigkeiten, private Enttäuschungen oder einfach das Wetter, das uns zu schaffen macht. Solche Stimmungsschwankungen sind ganz normal. Jeder ist davon mal im Laufe seines Lebens betroffen. Anders ist es aber bei einer Depression. Sie ist keine einfache Phase der Niedergeschlagenheit, keine Aneinanderreihung von „Ich habe einfach einen schlechten Tag“, kein Stimmungstief. Und genau aus diesem Grund darf sie nicht unterschätzt und abgetan werden. Die Betroffenen können sich nicht „einfach zusammenreißen“, sondern sollten sich einer ärztlichen Behandlung unterziehen.
Die Studie
Für die Studie der Stiftung Deutsche Depressions Hilfe wurden im Sommer diesen Jahres Menschen zwischen 18 und 69 Jahren befragt. Dabei gab fast ein Viertel der Befragten an, dass bei ihnen schon einmal die Diagnose einer Depression gestellt worden sei. Über ein Drittel sagte, bei einem/einer Angehörigen sei eine solche Diagnose schon einmal gestellt worden. Aber auch ein weiteres Drittel der befragten Personen äußerte, dass sie bislang mit dieser Krankheit keinen Kontakt gehabt hätten. Depressionen sind also keine Seltenheit. Auffällig ist, dass belastende Lebensereignisse von der Bevölkerung, aber auch von Betroffenen selbst als häufigste Ursache einer Depression gesehen werden. Belastungen am Arbeitsplatz, Schicksalsschläge und Probleme mit Mitmenschen werden hier von der breiten Mehrheit genannt.
Wie helfen wir den Herzensmenschen mit Depressionen wirklich?
Erst danach werden mit ca. 66 Prozent die biologischen Ursachen, wie Stoffwechselstörungen im Gehirn, dicht gefolgt von der Vererbung, genannt. Knapp über die Hälfte der Befragten aus der Bevölkerung sieht eine falsche Lebensführung als Ursache und weitere 31 Prozent glauben, eine Charakterschwäche sei der Grund. Im digitalen Zeitalter, in dem wir uns ja alle befinden, ist außerdem keine Überraschung, dass auch Smartphones und digitale Geräte auftauchen. Mal im ernst, jetzt können wir uns ja darüber streiten, dass das permanente auf-unser-Smartphone-glotzen uns Nackenschmerzen und mehr Entfreundungen bescheren kann, aber das soll der Auslöser für eine Depression sein? Wohl kaum. Auch wenn Betroffene selbst schon informiert darüber sind, dass neben psychosozialen auch biologische Faktoren eine Rolle bei der Entstehung von Depressionen spielen, so werden diese oft als eine Reaktion auf bestimmte Lebensumstände verstanden.
Fazit: Schokolade schmeckt gut, Depressionsheilmittel ist sie aber nicht
Es ist nun also festzuhalten, dass die Anerkennung der Depression als eigenständige, schwere Krankheit viel zu kurz kommt. Geht es nun darum, was geeignete Hilfsmittel sind, um Depressionen bekämpfen zu können, so gibt doch tatsächlich fast jeder Fünfte der Befragten aus der Bevölkerung an, Süßigkeiten wie Schokolade als geeignete Heilmittel anzusehen. Ein Stück Schokolade macht schließlich glücklich, oder nicht? Das „Sich zusammenreißen“ räumt absurderweise ebenfalls einen Prozentsatz von fast 20 Prozent ab. Lasst uns jetzt einfach mal selbst in eine solche Situation hineindenken: In welcher Lebenslage muntert uns ein Satz, wie: „Komm, das ist jetzt wirklich nicht so schlimm, reiß dich doch mal zusammen.“ denn auf? Richtig, in gar keiner. Eher bekommen wir in diesen Augenblicken Aggressionen auf unser Gegenüber und würden ihm lieber die Tür vor der Nase zuschlagen als ein ernstes Gespräch zu führen.
Um nochmal zurück zu Heilmitteln zu kommen: Antidepressiva werden von über 70 Prozent der Bevölkerung als Suchtmittel angesehen, die den Charakter verändern können. Dabei sagte aber auch ein Großteil der Befragten, dass diese Antidepressiva helfen können das Befinden des Betroffenen zu verbessern. Na, was denn jetzt? So richtig einig scheinen sich die Menschen da ja dann wohl doch nicht zu sein. Aber dem lang ersehnten Urlaub wird eine so große Bedeutung beigemessen. Denn unglaubliche 80 Prozent würden ihren depressiven Freund doch tatsächlich erstmal in den nächsten Flieger setzen und dabei wahrscheinlich die aufmunternden Worte: „Ach, erhol dich doch erstmal, das ist ja alles gar nicht so schlimm.“ hinterherrufen. Herzlichen Glückwunsch. Kommen wir zum Ernst des Lebens zurück, denn Depressionen sollten vor allem durch eine ärztliche Therapie behandelt werden, unter anderem eben durch Antidepressiva. Die werden nämlich gezielt gegen die im Hirn gestörten Funktionsabläufe eingesetzt.
Ginge es nach der Masse der Gesellschaft würden wir Depressive also mit Schokolade bewerfen, dumm von der Seite anmachen und sie in ein Flugzeug setzen. Das zeigt deutlich, wie wenig die Bevölkerung über diese Krankheit weiß. Und das, obwohl sie so weit verbreitet ist.
Was ist abschließend festzuhalten?
Depressionen haben immer auch eine biologische Ursache. Nicht nur Schicksalsschläge oder Stress sind die Verursacher und genau diese Meinung ist in der Bevölkerung viel zu weit verbreitet. Außerdem sind Antidepressiva keine Suchtmittel, sondern stellen eine gezielte Behandlungsmethode dar.
Das wichtigste zum Schluss: Depressionen werden nicht durch übermäßigen Schokoladengenuss abklingen und erst recht nicht dadurch „sich jetzt endlich mal zusammenzureißen“. Solltet ihr selbst den Verdacht haben, unter einer Depression zu leiden, sucht bitte einen Arzt auf und begebt euch in Behandlung. Mit dieser Krankheit ist entgegen aller Schokoladen-Therapeuten in der deutschen Bevölkerung nicht zu spaßen.