Wieso Selbstdiagnosen über Social Media gefährlich sind
Auf TikTok läuft man immer wieder Videos über den Weg, in denen verschiedene Symptome aufgelistet werden. Sie sollen Anzeichen dafür sein, dass man unter allen möglichen psychischen Krankheiten, wie Depressionen oder Autismus, leidet. Wieso die daraus folgenden Selbstdiagnosen über Social Media aber auch gefährlich werden können, erfahrt ihr hier.
Ist das nicht auch sinnvoll?
An sich ist es nichts schlechtes, mehr und offen über psychische Krankheiten zu sprechen, die noch viel zu häufig ein Tabuthema sind. Die Verbreitung von TikToks, in denen User*innen von ihren eigenen Erfahrungen erzählen, können somit vielleicht dabei helfen, dass sich andere nicht so alleine fühlen. Auch das Schamgefühl kann damit womöglich überwunden werden und es fällt leichter, professionelle Hilfe zu suchen. Aber Expert*innen sehen auch, dass diese Videos Gefahren mit sich bringen. Selbstdiagnosen über Social Media zu machen, ist meist eben einfach zu wenig gestützt.
Wieso gibt es Kritik?
Die Videos sind häufig eher wage und lassen wenig Platz für Differenzierung übrig. Dr. Martin Jung macht sich besonders um die jüngeren Zuschauer*innen Sorgen. In diesem Alter sind viele auf der Suche nach der eigenen Identität. Dazu kommt das Problem des TikTok-Algorithmus`. Sieht man also ein solches Video an, in welchem über verschiedene Symptome für beispielsweise Autismus gesprochen wird, kann es sein, dass man viele davon an sich selbst wiedererkennt und deswegen das TikTok speichert. Bald daraufhin ist die ganze „For-you-Page“ voll mit möglichen Autismus-Anzeichen. Und das ist in einer Zeit, in der man ohnehin schon unsicher über das eigene Selbst ist, eher kontraproduktiv. Wenn man dann aber gar nicht unter der Krankheit leidet, kann es passieren, dass man sich in die falsche Richtung informiert. Psychologin Siri Frericks warnt vor Abwärtsspiralen. Sollte man also immer mehr zutreffende Symptome finden, redet man sich die Diagnose selber irgendwann ein – ohne dass die Krankheit wirklich diagnostiziert wurde.
Bei Depressionen ist das Ganze ähnlich: Man sieht ein Video, in welchem gesagt wird, Antriebslosigkeit bedeutet, man ist depressiv. Daraufhin stellt man die Selbstdiagnose und zieht sich selber immer weiter runter. Das kann auch aus dem Wunsch, dazuzugehören passieren. Man möchte also quasi, dass auch die anderen Symptome zutreffen, damit man nicht alleine ist. In der Psychologie läuft eine Diagnose etwas anders ab, so Siri Frericks. Ein einziges Symptom bedeutet eben noch nicht, dass man an Depressionen leidet.
Selbstdiagnosen über Social Media können besonders gefährlich werden, wenn man auch selber die Behandlung entscheidet. Man sieht beispielsweise ein Video eines*einer Users*Userin, welche*r bestimmte Medikamente gegen seine*ihre, diagnostizierte, Krankheit nimmt und beschließt, dass diese auch bei einem selbst helfen müssen. Das kann böse enden. Krankheiten, sowie deren Behandlungen, sind individuell. Sich selber zu diagnostizieren ist die eine Sache, selber über die Behandlung zu bestimmen eine andere.