Bamboo bicycle club - so war der workshop

Selbstversuch: Ich baue ein Bambusbike

„Ich baue mir ein Fahrrad aus Bambus!“, erzähle ich meinen Freunden abends in einer Bar. Für diesen Satz ernte ich verdutzte Blicke – und sofort kommen Fragen auf: Ist das überhaupt stabil genug? Warum ausgerechnet Bambus? Und wird das Rad beim ersten Regenschauer zu Kompost? Ufff…, ziemlich gute Fragen. Das mit dem Kompost wage ich zwar zu bezweifeln, ansonsten weiß ich aber nur, dass ich nichts weiß. Außer dass mein Kursleiter vom „Bamboo Bicycle Club-Workshop“ in München Des heißt und ich bald ein Fahrrad mit einem Bambusrahmen bauen werde.

Dass man den Rahmen bei dem Wochenend-Kurs selbst baut, ist Teil des Konzepts beim Bamboo Bicycle Club. Einfach ein Fahrrad kaufen, auch eines aus Bambus, das kann jeder. Aber hier gibt’s nichts von der Stange, wie ich noch am eigenen Leib erfahren werde: Ich werde selbst Hand anlegen, schwitzen, fluchen, Bambus zersägen, kleben und dann noch einmal zersägen, weil ich es vermasselt habe – und mich am Ende über das Ergebnis freuen. Aber der Reihe nach.

 

Mach’s dir selbst!

 

Am Morgen nach dem Barabend begrüßt mich Workshopleiter Des mit einem heißen Kaffee in einem Hinterhof im Münchner Osten. Vor der Werkstatt stehen bereits mehrere Werkbänke für alle Kursteilnehmer parat. Ich bin voller Erwartungen, aber auch etwas angespannt, weil ich vom Handwerken so gar keine Ahnung habe. Lange Zeit darüber nachzudenken, bleibt allerdings nicht.

Des, der aus Irland stammt und nun in München den Bambus-Club aufbaut, zeigt mir verschiedene Bambusrohre: dicke, dünne, dunkle, helle, alle ganz natürlich gewachsen. Bambus ist – erklärt mir Des – einer der am schnellsten nachwachsenden Rohstoffe der Erde. In den Tropen schieße er bis zu einem Meter pro Tag in die Höhe. Pro Tag! Spätestens nach drei Tagen sei dort das Material für einen neuen Fahrradrahmen also schon wieder nachgewachsen.
Ich entscheide mich für einen dünnen, hellen Bambus und kurz darauf stehe ich mit einer Säge in der Hand am Schraubstock. Ritsch-Ratsch, Ritsch-Ratsch: Die Säge geht gut durchs Gras (Funfakt: Bambus zählt zu den Gräsern nicht zu Bäumen), ich will mir schon selbst auf die Schultern klopfen, da passiert es: Der Bambus splittert. Ich hatte vergessen Kreppband um die Stelle zu wickeln, die ich zersägen wollte und jetzt war all die Mühe umsonst. Des muss mich kurz aufmuntern und ich beginne von neuem.

 

Nachhaltig: Grüner radeln mit Bambus

 

DIY – manchmal extrem ärgerlich, aber wirklich schön und gut. Aber warum eigentlich Bambus? Des erklärt mir, dass Bambus stabiler ist als man denkt. Es taugt nicht nur als Material für das Stadtrad, das ich gerade baue, sondern auch für Mountainbikes, mit denen man mit Vollgas über Stock und Stein radelt. Denn Bambus hat eine natürliche Federung und ist außerdem sehr leicht. Die Rahmen wiegen weniger als jene aus Aluminium oder Stahl. Nur mit einem Rahmen aus Carbon ist man noch leichter unterwegs.

Nach den ersten Rückschlägen habe ich mich nach einigen Stunden eingewerkelt und mein Gefährt hat Gestalt angenommen. Alle Rohre sind an den Stellen, an denen sie sein sollen und ich beginne damit Hanffasern und Kunstharz als Verbindungsmaterial um die Nähte zu wickeln. Das macht das Rad stabil und sorgt dafür, dass ich nach meiner ersten Radtour nicht plötzlich lauter einzelne Bambusrohre unterm Hintern habe. Der Rahmen muss jetzt über Nacht trocken.

Nach einem langen Tag an der Werkbank freue ich mich auf eine kleine Auszeit, auf eine heiße Dusche und mein Sofa. Ich bin total kaputt, aber dieses sagenumwobene „Da weiß man wenigstens, was man tagsüber geleistet hat“-Gefühl ist großartig. Für heute bin ich eine erschöpfte, aber zufriedene Handwerkerin, denke ich – und brauche jetzt definitiv Gummibärchen als Belohnung.

 

Wo radelt man am besten? Hier sind die 10 fahrrad-freundlichsten Städte Deutschlands

 

Du, ich und die ganze Bambus-Bande

 

Tag 2 mit Des, einer handvoll Mit-Teilnehmer und meinem (fast schon) Bambursrad. So wie mir gestern Abend ging es auch den anderen, erzählen sie mir: kaputt, aber stolz. Und bevor wir beginnen, unsere Fahrradrahmen abzuschleifen, tauschen wir uns über Muskelkater und Feierabendbiere aus. Wir sind innerhalb von einem Tag ein eingeschworenes Team geworden. In Schweiß und Staub vereint. Ein Gemeinschaftsgefühl übrigens, das Des regelmäßig in seinen Kursen beobachtet und inzwischen Teil des Konzepts geworden ist – schließlich sind wir hier nicht bei den Bamboo Bicycles, sondern beim Bamboo Bicycle CLUB.

Genug gequatscht, jetzt sollen wir vollenden, was wir angefangen haben. Doch vor mir liegt ein scheinbar undurchschaubares Puzzle aus Einzelteilen, die alle irgendwie und irgendwo ans Rad müssen. Des springt mir zur Seite und hilft beim Sortieren. Aha!, ruft es in mir – und wir bauen die restlichen Teile – Räder, Pedale, Lenker – an das Rad. Das Rad? Mein Rad! Mein Bambusrad, um genau zu sein! Und bitteschön, hier ist das Ergebnis:

Übrigens: Der Workshop ist ein Kann, kein Muss. Der Bamboo Bicycle Club bietet auch „Homebuild-Kits“ für rund 300 Euro an. Dafür braucht es aber schon ein bisschen handwerkliche Erfahrung oder zumindest eine Extraportion Geduld beim Zusammenbauen. Da ich allerdings keines von beidem habe, war ich froh, dass ich an dem Workshop teilgenommen habe. Denn ich habe viel gelernt: übers Handwerken, über mich, über Nachhaltigkeit und über eine Gemeinschaft, die für eine Sache brennt.

Wer auch Lust bekommen hat, Teil des Bamboo Bicycle Clubs zu werden, der findet alle Infos auf bamboobicycleclub.org. Und vielleicht treffen wir uns dann bald in der Werkstatt!

ZEITjUNG wurde eingeladen am Workshop des Bamboo Bicycle Clubs teilzunehmen. Dies beeinflusst jedoch nicht unsere Meinung darüber!

 

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Bildquelle: Matthias Starte // ZEITjUNG