Paar sitzt auf einer Bank und schaut über das mehr

Sex und Soda: Was ist euer Problem mit Age Gap Relationships?

Eine halbe Stunde später saßen wir auf seiner Couch und unterhielten uns über alles und nichts. Er erzählte mir von seinem Leben, wie effizient er Tinder findet, aber wie komisch manche Dates wären, dass er aktuell keine Lust auf feste Beziehungen habe (Klassiker!) und über das Mountainbiken. Ich hörte geduldig zu, nickte an den richtigen Stellen und hielt mich an meinem Wasserglas fest. Er faszinierte mich. Die Art wie er sprach, seine Ausstrahlung, seine Wortgewandtheit und natürlich diese unglaublich blauen Augen. Irgendwann verabschiedete er sich ins Bad und ich entspannte mich. Schaute mich im Wohnzimmer um. Die Einrichtung wirkte clean. Schwarz und weiß mit roten Akzenten. In der Küche stand eine Siebträgermaschine, Fotos von der französischen Riviera, Freunden und Bekannten zierten die Wand im Flur. Ich fühlte mich wohl und atmete lange aus. „Na, alles gut?“ fragte er und ich öffnete erschrocken die Augen. „Ja, alles super“, ich lächelte. „Es tut mir total leid“, grinste er und schaute dabei durch seine langen Wimpern. „Wir haben uns so gut unterhalten, da hab ich glatt vergessen mit dir zu flirten.“ Und mit diesen Worten schob er seinen Kopf ein paar Zentimeter näher zu meinem, gerade weit genug, dass ich mich nur leicht nach vorne beugen musste, um ihn zu küssen.

In den folgenden Wochen sahen wir uns mindestens alle vier Tage, redeten viel und wurden vulnerabler. Er gestand mir bereits beim zweiten Date, dass er nicht Mitte, sondern eher Ende 40 sei, was nicht nur mich, sondern auch ihn in eine ordentliche Sinnkrise stürzte.

Das konnte hier ja nichts werden, oder vielleicht doch?

Seit diesem Vielleicht ist einige Zeit vergangen. Zeit des Haderns, des Kennenlernens, des Zweifelns und vor allem des Verliebens. Wir gingen die Beziehung langsam an, weihten nach und nach Freunde und Bekannte ein. Er hatte Bedenken wegen meiner Familie, ich wollte seinen Freunden gegenüber nicht als die kleine naive Studentin gelten.

Beziehungen mit einem großen Altersunterschied sind nie einfach. Einerseits aufgrund der Umstände, unter denen man aufgewachsen ist, andererseits wegen der Vorurteile, mit denen man kämpfen muss. C-Promis wie der Wendler machen es einem da leider auch nicht leichter. Und auch, wenn das Alter für das Paar selbst keine Rolle spielt, so wird man doch häufig von außen in die „Daddy Issue“-Ecke gestellt. Ich habe am Anfang viel gegoogelt. Nach Vorbildern. Paaren, bei denen es trotz des Altersunterschiedes geklappt hat und zum Glück auch einige gefunden. Hugh Jackman und Deborra-Lee Furness zum Beispiel, oder George und Amal Clooney. Mittlerweile kommt mir das albern vor und doch greift auch hier das Sprichwort: You can’t be, what you can’t see.

Nach drei Monaten unserer Beziehung lernte er dann auch meine Familie kennen. Erst meine Schwester und ihren Freund, dann meine Großmutter. Beide Begegnungen verliefen so entspannt, wie es nur hätte sein können und mir wurde mal wieder klar, wie unfassbar großartig meine Pappenheimer sind. Als mein Vater nach langem Nachfragen erfuhr, wie alt mein Freund denn sei, kommentierte er relativ trocken: „In dem Alter habe ich aber noch besser ausgesehen.“ Seitdem ist das Thema durch.

Meine Familie erkennt unsere Beziehung nicht nur an, sie akzeptiert und unterstützt sie auch in aller Form. Und auch seine Familie und Freunde haben mich, nach einigen Frotzeleien, liebevoll aufgenommen.

Ich denke, der springende Punkt ist, wir haben beide nicht nach einer Beziehung dieser Art gesucht. Aber als sie da war und uns klar wurde, wie wir füreinander empfinden, sind wir in und mit ihr gewachsen. Wir haben uns dem Thema angenähert, viel geredet. Ängste, Nöte und Wünsche offen angesprochen. Wir waren nie rosarot in unseren Vorstellungen. Er ist gute 20 Jahre älter als ich. Das kann niemand wegdiskutieren. So sehr wir uns das auch manchmal wünschen würden. Irgendwann wird uns der Altersunterschied einholen. Und vielleicht gerade, weil uns das so bewusst ist, nehmen wir keine Minute als selbstverständlich wahr. Zeit ist ein Geschenk. Das haben wir beide in unseren Leben bereits mehrmals schmerzhaft erfahren müssen. Und genau deshalb sind wir achtsam miteinander.