Katja Lewina by Lucas Hasselmann

„Sie hat Bock“ von Katja Lewina – Ein Must-Read!

Fast alle mögen Sex, aber während die eine Hälfte der Weltbevölkerung sich für jede neue Eroberung ein High-Five in der Sportumkleide abholen kann, wird die andere Hälfte als Schlampe bezeichnet, wenn sie sich ausleben möchte. In ihrem Buch „Sie hat Bock“ nimmt Katja Lewina die Leser*innen mit auf eine Reise durch Schlafzimmer und Frauenarztpraxen und stellt klar: auch Frauen haben Bock auf Sex und daran ist rein gar nichts auszusetzen. Sie schreibt ehrlich, trocken und ziemlich witzig und bewegt sich mit ihrem Buch irgendwo zwischen Aufklärungslektüre und Biographie, denn veranschaulicht wird das Ganze mit Episoden aus ihrem eigenen Leben. Die Autorin erzählt von ersten Malen, erlebten Ungerechtigkeiten und davon, wie sie selbst die Erwartungen der Gesellschaft ablegt und so ihr Privat- und ihr Sexleben um Längen verbessert.

Freie Liebe – Katja Lewina macht es vor und lebt mit ihrem Mann in einer offenen Beziehung. Das bedeutet: Sex mit anderen ist erlaubt und gilt nicht als Fremdgehen, solange es kommuniziert wird. Lewina sieht darin keine Gefahr für ihre Beziehung, sondern eine Verbesserung, denn ohne sich gegenseitig zu beschränken, erhält sie sich ihre Freiheit. Und dabei geht es gar nicht immer nur um Sex, sondern darum eine Beziehung ohne Zäune zu führen. Natürlich steckt auch viel Arbeit in so einem Arrangement. Da muss geredet werden ohne Ende und es führt auch zu komischen Situationen, beispielsweise wenn Ehemann und Liebhaber sich nachts auf dem Flur begegnen. Trotzdem sind sie und ihr Ehemann davon überzeugt, denn so nah wie jetzt hätten sie sich früher nie gefühlt. Dafür muss Lewina sich von Fotze bis Nutte so ziemlich alles anhören, was kleingeistige Internettrolls an Beleidigungen zu bieten haben und das obwohl ihr Ehemann die gleichen Freiheiten genießt. Liebe Doppelmoral, bitte verpiss dich!

Doch selbst Leute, die sich ohne stumpfe Beleidigungen artikulieren können, sind oft wenig begeistert. Da ist zum Beispiel der Taxifahrer Hamid, der Lewina eines Nachts nach Hause fährt. Der geht seiner Frau lieber fremd, als zu kommunizieren was er eigentlich will. Schade eigentlich, aber er kann sich einfach nicht vorstellen, dass seine Frau sich gerne genauso ausprobieren würde, wie seine Mitfahrerin: „Sie würde es nicht verstehen. Sie ist nicht wie du“, sagt er und meint damit, dass Frauen einfach weniger Lust auf Sex haben. Eine weit verbreitete Einschätzung, die der Autorin ganz schön auf die Nerven geht oder um es mit ihren Worten zu sagen:

„Überraschung! Frauen wollen auch ficken.“

Um das zu beweisen, plaudert sie nicht nur aus dem Nähkästchen, sondern zitiert auch diverse Studien, die das gängige Verständnis von Lust und Sexualität mal ebenso auf den Kopf stellen. Denn die Idee, dass Frauen möglichst keusch leben sollen ist eine, die erst mit dem Konzept des Besitzes entstand. Teilten unsere Vorfahren vor 10.000 Jahren noch ihre Nahrung und ihre Körper mit allen anderen, die sich abends am Lagerfeuer einfanden, so änderten sich die Spielregeln, als die Menschen sesshaft wurden, schreibt Lewina. Der Vater wollte schließlich sicher sein, dass es auch wirklich sein eigenes Kind war, das später einmal den Hof erbte. Die Selbstbestimmung der Frau und damit auch ihr Anrecht auf sexuelle Abenteuer, musste männlichem Geltungsbedürfnis weichen. Frauen, die gerne Sex haben, als Schlampen zu beschimpfen, ist also Teil des Rattenschwanzes, den das Patriarchat hinter sich herzieht.