Sternzeichen statt Gottheiten: Warum glauben so viele an Horoskope?
Was bedeutet das?
Horoskope verwenden oft eine Bandbreite von Aussagen, die Wünsche, Grundannahmen und Ängste beinhalten, die die meisten Menschen betreffen. Durch bipolare Aussagen wie z.B. „Sie sind eine mutige Person, die oft die Initiative ergreift, zugleich aber auch eine schüchterne Seite hat“ fällt es schwer, sich nicht angesprochen zu fühlen. Grundannahmen werden also am laufenden Band von den Leser*innen individualisiert und auf den eigenen Charakter übertragen. Diese Wirkung wird oftmals noch verstärkt, indem beispielsweise Ängste angesprochen werden, über die im Alltag kaum geredet wird. Dadurch entsteht eine Form von Intimität und die Leser*innen bekommen den Eindruck, als wäre der Inhalt individuell auf sie zugeschnitten. Gleichzeitig fällt uns meist auch eher das auf, was zu uns passt, als das, was nicht zutrifft. Wir lesen die Zuschreibungen also gar nicht neutral, sondern mit einer gewissen Vorerwartung. Am Ende suchen wir uns das heraus, was am besten zu dem Bild passt, das wir von uns selbst haben. Denn es tut gut, sich mit etwas identifizieren zu können und zu wissen, warum man ist, wie man ist. Auf der Suche nach Selbstbestätigung finden wir also Horoskope, die unsere Stärken preisen und unsere Schwächen legitimieren. Die Welt wird dadurch reduziert und gleichzeitig um eine Erklärung reicher.
Ein weiterer Grund könnte sein, dass…
…wir in den Horoskopen eine Alternative zu den geläufigen Religionen suchen. Denn wir leben in einer Gesellschaft, in der die religiöse Einstellung immer weiter abnimmt. In meinem Bekanntenkreis zumindest glaubt kaum noch jemand an den Allmächtigen. In einer gottlosen Welt scheinen Tierkreiszeichen und Aszendenten die Lücke zu füllen, die die Religionen hinterlassen haben. Es scheint, als kämen wir nicht mit einer Welt zurecht, die keinen Zauber hat und uns keine Antworten über den Grund unseres Seins liefert. Es ist nun einmal immer leichter, die Verantwortung einfach wegzuschieben, die Fragen gleichsam abzugeben und sich gemütlich auf die Couch zu lümmeln. Doch wem sollte man das zum Vorwurf machen? Denn ist es nicht so, dass wir am Ende des Tages alle an irgendetwas glauben? Seien es Horoskope, Heidegger, Nietzsche, Wiedergeburt oder an nichts?
Die Realität entsteht im Kopf. Also lasst uns doch schauen, dass wir uns eine coole Realität ausmalen, in der es Spaß macht zu leben! Solange es niemandem schadet, ist doch alles in Butter, oder?
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