Tourenski & Taschenlampe: im Schnee durch die Nacht

Ein Beitrag von Bernhard Ziegler

Die klammen Finger suchen nach dem Anschaltknopf an der Stirnlampe. Mit Handschuhen geht das nicht, da habe ich kein Gefühl dafür – aber wenn ich den Schalter nicht bald finde, hab ich überhaupt kein Gefühl mehr in den Fingern. Saukalt ist das – Mist. Ah, jetzt, es werde Licht!

Ein schmaler, aber kräftiger Spot vom Kopf zum schneebedeckten Hang leuchtet mir ein kleines Stück Piste aus, ansonsten ist das Gelände in tiefe Dunkelheit getaucht. Ich gehe los. „Zsch“ machen die Steigfelle an den Skiern, „Klack“ die Tourenbindung. Zsch, klack – zsch, klack…. so steige ich langsam Schritt für Schritt durch die Nacht. Der Atem kondensiert und bildet im Lichtkegel der Stirnlampe kleine Wolken. Zsch, klack, zsch, klack – langsam finde ich meinen Rhythmus und mir wird warm.

Meditation auf Ski

„Nachtskitouren – was für ein Quatsch?!“ hab ich mir gedacht – und jetzt finde ich es wunderschön. Manche Dinge muss man halt doch selbst ausprobieren, um sie zu verstehen. Es ist die Dunkelheit, die mich fasziniert. Die Welt um mich herum ist wie ausgeblendet, es schneit leicht, nur im Tal kann man die Lichter des Ortes erkennen, die zu mir herauffunkeln. Da und dort tanzen auch die Lichter der anderen Tourengeher vorbei. Ja, es sieht wirklich aus wie tanzende Lichter, wenn Skifahrer mit Stirnlampe den Hang im zischenden Schnee hinunterschwingen. Sie reißen mich kurz aus meiner Meditation, dann versinke ich wieder in der Dunkelheit und bin ganz bei mir.

Das fühlt sich ähnlich an als würde man im Wasser untertauchen, die Augen schließen und nur noch spüren. Der Rest der Welt ist von der Dunkelheit ausgeblendet, die Wahrnehmung und die Gedanken werden ruhig und richten sich nach innen.

Abfahrtsmotto: Weniger sehen – mehr fühlen

Aber kann man im Dunkeln nur mit einer Stirnlampe skifahren? Das geht sogar sehr gut. Das Licht der Stirnlampe reicht aus, um zu sehen, wo es hingeht und ansonsten verlässt man sich viel mehr auf das Gefühl in den Beinen. Im Dunkeln den Hang hinunterzuschwingen, ist wie wenn man sich beim Tanzen von der Musik wegtragen lässt. Nicht du gibst den Bewegungsablauf vor, es ist der Schnee und das Gelände.

After work-Skitour mit Community

Nachtskitouren haben aber nicht nur einen meditativen Charakter – sie sind ein Event geworden. Während andere nach der Arbeit ins „Gym“ gehen, trifft sich die Skitouren-Community auf eine nächtliche Trainingsrunde zum Beispiel am Kolben in Oberammergau. Dreimal die Woche gibt es hier während der Wintersaison sogenannte Tourengeherabende. Dienstag bis Donnerstag ist die Hütte geöffnet. Bei brauchbaren Verhältnissen sind pro Abend gut und gerne 200 Tourengeher unterwegs. Auf der Hütte geht es persönlich zu: Man kennt sich, man trifft sich – ein Meeting-Point für Bergsport-Liebhaber.

Fazit: Egal, ob Skitouren-Anfänger oder -Profi – Nachtskitouren können das Trainingsspektrum um eine reizvolle Variante erweitern, bieten ein besonderes Naturerlebnis und sind zum Treffpunkt für Bergsportler geworden.

Info: Mittlerweile gibt es viele Skigebiete, die Skitourengeherabende anbieten. Über die diversen Möglichkeiten kann man sich hier informieren und schon mal Pläne für die kommende Saison machen.

Regeln für Nachtskitouren: Aus Naturschutzgründen sollten Nachtskitouren nicht im freien Gelände, sondern nur auf dafür ausgewiesenen Pisten stattfinden. Dabei sollte man sich an die für Skitourengeher freigegebenen Tage und Zeiten halten. Während der Präparierungsphasen sind die Pisten gesperrt – es besteht Lebensgefahr!

Der Autor, Bernhard Ziegler ist Alpinjournalist, Fachübungsleiter für den DAV und betreibt das Bergsport-Portal www.tourentipp.com

Bildquelle: Bernhard Ziegler; Dynafit
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