Sicherheit, Traeume, Lebensfreude, Mut, Zukunft

Zukunftsangst: Träume oder Sicherheit?

Von Maxi Jung

Ich wollte immer Schauspielerin werden. Nicht so in Richtung Hollywood. Nein, Schauspielerin am Theater. Mein Leben lang bin ich in Neben- bis Hauptrollen auf den Jugendbühnen meiner Stadt herumgeturnt, bin in zahlreiche Rollen geschlüpft. Ich habe mich zuhause gefühlt. Auf den Probebühnen, in der Maske, am Aschenbecher neben dem Bühneneingang.

Was daraus geworden ist? Ich studiere jetzt etwas, das Hunderttausende andere junge Menschen in Deutschland auch studieren. Etwas, das rein gar nichts mehr mit den Brettern, die die Welt bedeuten, zu tun hat.

Warum hängen wir eigentlich ständig zwischen unseren Träumen vom freien, kreativen Job und dem Wunsch nach Sicherheit? Und warum entscheiden wir uns immer häufiger für die Sicherheit?

 

Generation spießig?

 

Die neue Generationenstudie von Neon enttarnt uns als Spießer. 88 Prozent der Befragten wünschen sich Kinder, über die Hälfte will später ein Eigenheim mit Garten. Entscheiden wir uns also für ein sicheres Studium, weil wir uns die Option offen halten wollen, eine Familie zu gründen, ein Haus zu bauen? Hilfe! Sind wir ein Abbild unserer Großeltern?

Oder sind wir einfach realistischer geworden im Umgang mit unserem Glück? Und glauben nicht mehr daran, dass Passion alleine uns auf Dauer satt und glücklich machen kann? Vielleicht wissen wir mittlerweile, dass es ein verdammt schönes Gefühl ist, wenn am Monatsende vom Gehalt noch was übrig ist.

 

Vom Hobby zum Beruf

 

Ich habe eine Freundin, die sich an Schauspielschulen beworben hat. In der gesamten Bundesrepublik. Wöchentlich kassierte sie Absagen. Wenn sie alle paar Wochen mal wieder in die Kleinstadt zurückkehrte, traf ich sie in unserem Lieblingscafé. Sie war noch exzentrischer geworden. Und noch niedergeschlagener. In lange Pelzmäntel gewickelt saß sie da, trug roten Lippenstift und tiefe Augenränder im Gesicht. Während sie mir von ihren Erfahrungen, von Absagen, von fiesen Sprüchen erzählte und dabei eine Kippe nach der anderen qualmte, beneidete ich sie irgendwie.

Bis ich eines Tages begriff, dass ich das alles gar nicht wollte. Ich wollte nicht, dass jemand meine Liebe zum Theater zertrampelt. Ich wollte nicht, dass mein Fluchtpunkt, der Ort an dem ich immer entspannt und selbstbewusst war, durch harsche Kritik zerstört würde.

Vielleicht treibt uns auch das an, wenn wir uns für die „sichere“ Karriere entscheiden. Wir lieben es zu malen, zu musizieren, zu schreiben. Aber wir behalten unsere Träume und Fähigkeiten lieber als Nebentätigkeit. So kann uns niemand die Freude daran nehmen. Und unser liebster Zufluchtsort kann bleiben, was er ist und wird nicht zerstört, durch den erbitterten Künstler-Konkurrenzkampf.

Gleichzeitig wollen wir, dass unser Beruf uns das einräumt: Zeit für Leidenschaften. Damit wir nicht nur leben, um zu arbeiten.

 

Bäumchen wechsel dich

 

Fast niemand bleibt mehr sein Leben lang in einem Beruf. Das ist die moderne Arbeitswelt. Und vielleicht haben wir einfach die Hoffnung, dass wir mit unserer sicheren Karriere im Hinterkopf und ein bisschen Geld auf der hohen Kante irgendwann doch noch mal einen Laden eröffnen, hauptberuflich am Theater arbeiten oder die Welt bereisen, um Fotos zu schießen.

Eigentlich wollen uns nämlich gar nicht entscheiden müssen zwischen Sicherheit und Träumen. Was wir wollen, ist so einfach: alles auf einmal, bitte, danke.

 

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Bildquelle: (1) rannanic unter CC BY 2.0