Was wir vom Trash-TV noch lernen können: Interview mit Anja Rützel
ZEITjUNG: Inwiefern hat Trash-TV möglicherweise auch positive Aspekte? Können wir etwas daraus lernen?
Anja Rützel: Ich vergleiche bei solchen Fragen Trash-TV gerne mit der Theateridee von Friedrich Schiller: Er wollte auf seiner „Schaubühne“ verschiedene Charaktere, Laster und Leidenschaften vorführen, damit das Publikum sich aus deren Schicksalen etwas abschauen konnte, ohne dasselbe selbst durchmachen zu müssen. Eventuell ist das minimal übertrieben, und vermutlich hatte Schiller dabei nicht den richtigen Umgang mit F*ckboys im Sinn, wie er einem bei „Love Island“ anhand von Negativ-Beispielen erhellt wird, aber ich finde doch, dass es da Parallelen gibt.
ZEITjUNG: In deinem neuen Podcast „Verbrechen am Fernsehen“ geht es um „TV-Verbrechen“. Um was genau geht es? Was ist Inhalt und Ziel?
Anja Rützel: In meinem Podcast werde ich mit wechselnden Gästen endlich all diese Formate zur Rechenschaft ziehen, die einfach schlechtes Fernsehen produzieren. Wie bei einem klassischen True-Crime-Format wollen wir dabei genau unter die Lupe nehmen, welche Vergehen genau vorliegen: Reaktionäre Drehbücher, Karussell-Schnitt bis zum Brechreiz, hingeschluderte Showkonzepte? Dabei wird es nicht nur um Trash-Formate gehen, auch das ZDF-Herzkino oder die große Samstagabendshow werden in meinen Gerichtssaal zitiert. Und jede Folge wird ein „Cold Case“ wieder aufgeschlagen, ein altes Format, an dem wir beweisen, dass früher im Fernsehen wirklich nicht alles besser war.
ZEITjUNG: Abschließend, stell dir vor: Du bist gezwungen an einem Format teilzunehmen. Welches wäre es? Was fändest du spannend? (Natürlich aus rein wissenschaftlichen Gründen)
Anja Rützel: Eines meiner Lieblingsbücher zum Thema Trash-TV ist „How to win the Bachelor“, eine extrem kluge Anleitung für die US-Version des Formats. Wenn es denn wirklich sein müsste, würde ich versuchen, einen solchen Schlachtplan für das Dschungelcamp herbeizuanalysieren. Und natürlich gewinnen.
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Bildquelle: Studio Bummens. Cover zu „VaF – Verbrechen am Fernsehen“.