Trennung Beziehung Freundeskreis

Wenn der Freundeskreis eine Trennung nicht aushält…

Ich stehe zwischen den Stühlen – auf diesen Stühlen sitzen Freund J und Freundin M. Vor ein paar Monaten saßen sie noch gemeinsam auf einer Bank. Sie waren zusammen. Crazy in love. Freund-Freund und Freundin-Freundin. Dass das nun endgültig vorbei, merkt man an dem erbärmlichen Rest, der von dieser Beziehung und einer Freundschaft übrig geblieben ist: Zwei Stühle, mein verzweifeltes „Bitte?“ und, vielleicht am allerschlimmsten, ein zerbrochener Freundeskreis.

Die Rahmenbedingungen dieser ehemaligen Beziehung: Es handelt sich hier nicht um eine dramatische Scheidung, weder Geld noch Kinder waren im Spiel. Wie so häufig liebte einer einfach ein bisschen mehr, einer weniger. Die beiden sind Anfang 20. Die Chancen stehen mehr als gut, dass sich beide in naher Zukunft wieder verlieben werden. Also alles kein Drama. Sage ich. Sie sagen: Ja, schon. Aber: Mit dem anderen in einem Raum sein möchte man trotzdem nicht. Schwierig, wenn man ein und dieselben Freunde hat. Und das schon seit Jahren.

Zwischen den Stühlen

Zurück zum „Zusammen reißen“, denn hoffentlich passiert genau das in sehr naher Zukunft. Die  Realität hat gezeigt, dass das „Zwischen den Stühlen“-Szenario nicht nur die zwei Personen auf diesen Stühlen belastet. Die Personen, die dazwischen stehen, wie in einem non-existenten Schützengraben im Kalten Krieg, stehen unter einem unausgesprochenen Druck. Es sind junge Erwachsene, die sich noch vor ein paar Monaten ihrer ewigen Zusammengehörigkeit sicher waren. Was dann geschah, war ebenso nicht abzusehen, wie zu erwarten. Abschiede und Trennungen gehören nun mal zum Leben dazu, kommen aber meistens unverhofft.

Nun zu dem Dilemma, von dem ich wage zu behaupten, dass mein Freundeskreis nicht der erste ist, der damit zu kämpfen hat. Denn genau dabei sind wir nun angekommen: Kampf. Lager haben sich gebildet. Nicht nur ich stehe zwischen Ms und Js Stühlen: Ich stehe dort stellvertretend für einen ganzen Freundeskreis. Denn oft, ist man eben nicht gerade die allerbeste Freundin oder der Sandkastenkumpel des einen, ist es unglaublich schwer, sich richtig zu entscheiden. Das ist auch der Grund, weshalb man sich einfach gar nicht entscheiden müssen sollte.

„Breaking up is hard to do, unless everyone else is doing it, too“

Bewiesen ist: Trennungen im Freundeskreis sind ansteckend. Trennt sich Susi von Hans, ist es nicht unwahrscheinlich, dass Susis beste Freundin Annika zwei Wochen später unter ihre Beziehung zu Lukas ebenfalls einen Schlussstrich zieht. Das war’s dann mit den gemütlichen Pärchenabenden. Eine Studie an der Brown University mit dem schönen Namen „Breaking up is hard to do, unless everyone is doing it, too“ hat die Daten von 10.000 Amerikanern ausgewertet und ist zu dem Schluss gekommen, dass Trennungen schwer sind – es sei denn alle anderen tun es auch. Das kann die Sache schon mal erleichtern.

Ob diese These nun auch auf Freundschaften projiziert werden kann, sei dahingestellt. Sicher ist jedoch, dass Trennungen der einen auch bei anderen etwas auslösen und das ist meistens nichts Gutes.

Falsche Loyalität

Loyalität ist gut, Loyalität ist wichtig. Problematisch wird es erst, wenn Menschen denken, sie müssen Positionen einnehmen. Oftmals gibt es einfach kein Gut und Böse. Wir sind auf der Suche nach schwarz/weißen Mustern und verrennen uns in einer ganz fiesen Nummer: falsche Loyalität. Meist bemerkt man erst Jahre später, dass es sich nicht gelohnt hat, eine Position zu beziehen. Die Trennung von Freund X und Freundin Y ist längst vergessen. Der gesamte Teil des Freundeskreises, der in die Ecke der Freundin Y gedrängt wurde, ist jedoch für immer verloren. Schließlich hat man sich auf die Seite des anderen geschlagen. Verdammt noch mal, Trennungen sind doch keine Kriege.

Wer sich von seinem Partner trennt, hat eigentlich schon genug Päckchen zu tragen: Liebeskummer, Einsamkeit und ein Leben, das von heute auf morgen auf den Kopf gestellt wurde. Da sind gute Freunde Gold wert, doch Fronten werden oft unbewusst eingenommen: Während wir noch denken „Das wird schon wieder“, hat man sich schon zufällig auf ein Bier mit dem einen getroffen. Die andere bekommt Wind davon und – zack – steht man auf einer Seite. Paare mit gemeinsamen Freunden sind gute Paare. Gemeinsame Freunde nach Trennungen sind schwierige Freunde.

Nichts überstürzen!

Die Lösung des Problems ist nah – und doch so fern, da unmöglich: Alles noch mal auf Anfang. Früher ging es doch auch. Doch was darf man getrennten Paaren antun und was nicht? Darf ich von M verlangen bei meinem Geburtstags-Brunch schräg gegenüber von J zu sitzen? Darf ich J fragen ob er mit mir zur Party geht, wenn ich weiß, dass M dort sein wird? Verdammt: Ja, ich darf das. Denn Probleme entstehen erst, wenn man sie so nennt. Denn manchmal heilt Zeit eben doch Wunden. Studien zeigen zwar, dass der endgültige Abschied vom Partner oft erst mit einem brandneuen Partner eintritt, der gesunde Menschenverstand zeigt aber auch: Freunde sind gleich nach Familie und Partner das wichtigste in unserem Leben. Deshalb sollte mal, hat man schon den Liebsten verloren, wenigstens darauf achten, dass die Freunde nicht gleich mit ihm verschwinden.

Was nach Trennungen im Freundeskreis also hilft: eine ordentliche Portion Durchhaltevermögen. Dazu noch eine Prise Verständnis. Garnieren sollte man das ganze mit Zeit. Dann schmeckt die bitterste Trennung irgendwann auch wieder wie eine Freundschaft.

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Bildquelle: Franca Gimenez unter CC BY-ND 2.0