Die Friend Zone: Von Haken und offenen Türen
Es ist einer dieser Abende. Du wolltest endlos produktiv sein und liegst nun doch dick eingemummelt mit fünf Litern Tee und Wollsocken im Federbett und klickst dich angeödet durch alte WhatsApp-Konversationen. In unserer Kontaktliste tummeln sich alle: „gute Freunde“, Affären, One-Night-Stands, Expartner … Sie haben nichts gemeinsam. Außer dem Kontakt zu dir. Und dieser zweifingerbreit geöffneten Tür zwischen euch, die endlich mal geschlossen werden muss.
Vom Ex-Faktor und der Hook-Theorie
Einer Studie zufolge ist jeder Dritte mit seinem Expartner befreundet. 30 Prozent haben sporadisch Kontakt. Um mal zum Geburtstag zu gratulieren oder zu fragen „wie’s so läuft“. Klar, wir haben alle eine fantastisch plausible Ausrede dafür, unseren Expartnern bedeutungsschwangere Nichtigkeiten beiläufig über Facebook zukommen zu lassen. „Ich denke an dich“ ist der beschissene Klassiker.
Aber eigentlich haben wir alle dasselbe Motiv: Warmhalten. Den Fuß in der Tür lassen. Wir wollen nachhaken, ob der andere noch verfügbar ist. Ob wir in der Zwischenzeit von der „Verdrängt-“ in die „Vergessen-Schublade“ umsortiert wurden. Ob eventuell – just in case – die Chance besteht, dass da noch mal was geht. Und manchmal wollen wir einfach nur ein bisschen Sicherheit. Einen Rückhalt. Und das bisschen Egoboosting, das uns im Alltag so oft fehlt.
Aber die Geschichte hört nicht bei Ex-Partnern auf. Auch der heiße Flirt, der „gute Freund“, bei dem nie so richtig klar war, was Sache ist, und der One-Night-Stand, mit dem wir ab und zu noch Nachrichten austauschen, reihen sich getrost in den „Für schlechte Zeiten warmgehalten“-Zirkel ein.
„Hooked“ oder zu deutsch „Am Haken“ heißt eine Folge der fünften „How I Met Your Mother“ Staffel. Die Hakentheorie besagt, dass jeder jemanden am Haken hat – oder selbst dran hängt. Konkret heißt das, dass es da jemanden gibt, von dem man weiß, dass er einen mehr als nur mag. Dem man aber nie klar gemacht hat, dass da nienieniemals was Ernstes draus wird. Weil man es nicht übers Herz bringt. Oder weil man die Nähe und Zuwendung des anderen genießt. Sich gut fühlt. Besonders. Weil man weiß, dass es jemanden gibt, der einen wohl immer gut finden wird. Auf den man „zurückkommen“ kann.
„Sie wickelt dich ein, ohne sich auf dich einzulassen. Sie behält dich auf Vorrat, nur für den Fall. So wie eine Dose Chili im Küchenschrank“, so beschreibt Robyn aus HIMYM das Phänomen treffend.
Zwischen Egotrip und Feigheit
Sind wir ein Haufen Ignoranten auf einem furchtbaren Egotrip? Nutzen wir schamlos ehrliche Zuneigung aus, nur um unser Ego zu pushen, um uns besser zu fühlen? Und sind uns die anderen dabei vollkommen egal?
Ja, wir verhalten uns egoistisch, wenn wir uns jemanden warmhalten. Allerdings ist dieses Phänomen auch Resultat unserer Unfähigkeit, klare Ansagen zu machen. Wir sind schlichtweg feige. Unsere Angst davor, einen Menschen zu verletzen, unsere Unfähigkeit, mit den Gefühlen des anderen umzugehen, führt dazu, dass wir die vermeintlich sanfte Tour wählen. Floskeln wie „im Moment nicht“ oder „vielleicht irgendwann“ machen es allerdings nicht gerade einfacher. Denn sie sind nicht ehrlich. Und schon gar nicht fair.
Jeder, der schon einmal selbst die Chilidose in den Tiefen des Küchenschranks war, weiß, dass klare Ansagen besser sind, als hingehalten zu werden. Dass es viel mehr schmerzt und demütigt, wenn man wie ein Schwachsinniger in jedes Wort eine Liebeserklärung und in jede Berührung eine romantische Szene hineininterpretiert. Dass ein fester Schlag mitten ins Gesicht besser gewesen wäre, als diese zermürbenden Seitenhiebe.
Time To Say Goodbye
Wenn man eigentlich gar kein Chili mehr mag, sollte man es einfach wegschmeißen. Oder es jemandem geben, der damit noch was anfangen kann. Und nicht die Dose ab und zu entstauben und dabei denken: „Vielleicht krieg ich ja doch irgendwann noch mal Bock auf scharfes Essen.“
Ja, es gibt beschissene Zeiten im Leben. In denen man sich unwohl fühlt in seiner Haut. In der irgendwie nichts so läuft, wie man das gerne hätte. Aber wir müssen lernen, in solchen Momenten Kraft aus uns selbst zu gewinnen. Es im Alleingang zu schaffen, uns besser zu fühlen – ohne das aufmunternde „es gibt ja doch jemanden, der mich toll findet“-Gespräch mit dem oder der Verflossenen. Das macht uns so viel stärker und eigenständiger.
Lasst uns einfach mal kollektiv ehrlich sein. Unsere Warmgehaltenen vom Haken lassen. Denen, die seit Ewigkeiten auf der Bank sitzen und darauf warten, auch mal mitspielen zu dürfen, endlich mal sagen, dass sie niemals mit dem Ball am Fuß aufs Tor zurennen werden. Dass der Zug abgefahren ist. Ihnen zuliebe. Aber auch, damit wir selbst wachsen können. Damit wir weiterkommen. Lasst uns endlich diese verdammten Türen schließen. Mit Schlüssel. Und einem dicken, fetten Vorhängeschloss.
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Bildquelle: Ermin Celikovic unter CC 0 Lizenz