Herrmanns „Neger“: Warum wir das Wort heute nicht mehr hören sollten
Von Dennis Radny und Lina Frank
Mit seiner Aussage, Roberto Blanco sei ein „wunderbarer Neger“, hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann ein absolutes No-Go begangen. In der ARD-Sendung „Hart aber fair“ hat sich der Politiker über den Sänger Roberto Blanco geäußert: „Roberto Blanco war immer ein wunderbarer Neger, der den meisten Deutschen wunderbar gefallen hat.“
Heutzutage, vor allem in der Politik, ein Wort zu verwenden, das eindeutig als diskriminierend gilt, kann und darf nicht sein. Auch für den Fall, dass es Herrmann es in erster Linie gar nicht rassistisch meinte, darf so eine Aussage nicht von einem politischen Repräsentanten getroffen werden. Verschiedene Medien versuchen, seine Aussage zu relativieren. Die Welt schreibt beispielsweise, dass Herrmann „wortreich und durchaus überzeugend eine Verrohung in der Wortwahl vieler beklagt und dem rechten Mob den Kampf angesagt“ habe. Wir aber wollen das nicht kleinreden. Wir sind verärgert und fassungslos.
Der Ursprung eines rassistischen Wortes
Wie man sich als Schwarzer fühlt, wenn man „Neger“ genannt wird, beschreibt Jonas Hampl in einem Leserkommentar für ZEIT ONLINE: „Neger sein tut weh. Es ist unangenehm.“ Mit dem Wort Schwarzer komme er gut klar. Damit kann er sich identifizieren. Beim Wort „Neger“ ist das aber etwas anderes: „Sein Ursprung, niger, wird zwar lediglich mit schwarz übersetzt, aber seine Bedeutung hat sich weit davon entfernt. Meilenweit. Neger sein heißt: Personenkontrollen am Bahnhof, Angst haben. Neger sein bedeutet, abgelehnt zu werden als Freund der Tochter, Besucher der Disco, Mitarbeiter der Firma.“
Zur Zeit des Kolonialismus entstand auf der afrikanischen Landkarte ein Teppich, der sich aus den europäischen Kolonialmächten zusammensetzte. Menschen verschiedenster Hautfarbe trafen nun öfter aufeinander. Das war auch die Zeit, in der das Wort „Neger“ in die deutsche Sprache aufgenommen wurde. Den Ursprung hat das Wort vom lateinischen „niger“, was „schwarz“ bedeutet. Denn damals war das Wort eine reine Bezeichnung für die Hautfarbe. Es sollte damit nichts Negatives ausgedrückt werden.
Anders war das in den Vereinigten Staaten von Amerika. Während die Sklaverei gegen Ende des Mittelalters in Nord-West-Europa, von vielen Königen stark verurteilt wurde, fing es mit der Unabhängigkeit der britischen Kolonien in Amerika erst an. Die USA wurden gegründet und Millionen Afrikaner wurden Opfer der transatlantischen Sklaverei. Abgeleitet von den europäischen Varianten, entstand das Wort „Nigger“, oder „Nigga“. Doch dort war diese Bezeichnung da, um eine soziale Degradierung zu kennzeichnen. Gesetze stellten klar, dass Schwarze nicht die Rechte auf ein freies Leben hatten. Auch in der heutigen Zeit wird das Wort in den USA häufig benutzt. Vor allem in den Südstaaten, wo die meisten Sklaven auf riesigen Plantagen arbeiten mussten.
Der Begriff in der deutschen Literatur
In der deutschen Literatur hatte das Wort „Neger“ seine prominenteste Zeit während der Kolonialisierung und des Nationalsozialismus. Im Dritten Reich wurden Schwarze nicht kategorisch vernichtet. Hitler hatte auch für dieses Thema einen anderen Schuldigen. Sorglos leben konnten schwarze Bürger in Deutschland jedoch nicht. Auch hier verkam das Wort „Neger“ zu einer Bezeichnung sozialer Minderwertigkeit. Nach der Nazi-Zeit wurde das Wort kaum noch in der Literatur benutzt und ist bis heute so gut wie ausgestorben. Im Duden ist das Wort als offizielle Bezeichnung für eine „Person mit (sehr) dunkler Hautfarbe“, zu finden.
Darf man das Wort heute noch sagen?
Unsere Generation kann mit dieser Terminologie nur noch wenig anfangen. Wir haben von klein auf beigebracht bekommen, dass das Wort eine Beleidigung ist und von kultivierten Menschen nicht benutzt wird. In Leserkommentaren wird Joachim Herrmann in Schutz genommen: „Herrmann entstammt einer Generation in dem der Begriff „Neger“ nicht ausschließlich negativ besetzt war.“ Leider haben unsere Großeltern und vielleicht auch unsere Eltern das Wort „Neger“ als Synonym für Schwarzer beigebracht bekommen. Pipi Langstrumpfs Papa, der im gleichnamigen Buch als „Negerkönig“ bezeichnet wird, heißt heute „Südseekönig“. Auch Astrid Lindgren hatte damals keine rassistischen Absichten. Als sie das Buch schrieb „war in Skandinavien das Wort ‚Neger‘ die übliche Bezeichnung für Menschen mit schwarzer Hautfarbe“, heißt es im damaligen Statement. Die Änderung des Namens setzte damals ein deutliches Zeichen gegen Rassismus.
Rassistische Ausdrücke werden heute nicht mehr akzeptiert. Im Jahr 2015 dürfte die Bedeutung des Wortes „Neger“ in unseren Köpfen so eingebrannt sein, dass sich selbst ein konservativer bayrischer Politiker auf die Zunge beißen muss, wenn ihm solch rassistische Ausdrücke drohen herauszurutschen. Im Zuge der Flüchtlingsproblematik sind wir sensibler geworden. Weder Flüchtlinge, die in unserem Land Schutz suchen, noch langjährige Mitbürger mit verschiedensten Herkünften sollen sich durch solche unbedachten Aussagen angegriffen fühlen. Das rassistische Wort sollte aus unserem Wortschatz vollständig verschwinden.
Auch die Twittergemeinde reagiert kritisch auf Herrmanns Aussage:
Ob die Negervertreter im @WDR Rundfunkrat die heutige #hartaberfair Ausgabe aus der Mediathek löschen lassen?
— Jan Böhmermann (@janboehm) 31. August 2015