
Was deine Essgewohnheiten über dich verraten
Ich persönlich bin ja ein großer Fan von Rosinen, Sultaninen und Co. Egal wo, egal wann – die kann ich immer essen. Jetzt gibt es unter euch aber sicherlich auch einige, die sich fragen was mit meinem Geschmackssinn bloß falsch sei. Fair, aber wieso eigentlich?
Eine Antwort auf diese Frage lieferte der Ernährungspsychologe Thomas Ellrott im Gespräch mit der SZ. Ellrott ist seit dessen Gründung Leiter des Instituts für Ernährungspsychologie (IfE) an der Uni Göttingen. Ihm zufolge gibt es nicht nur eine einzige Ursache dafür, dass Menschen unterschiedliche Essgewohnheiten haben.
Die einfachste Antwort – Unverträglichkeit
Wenn du ein bestimmtes Lebensmittel nicht magst, kann es schlicht und ergreifend daran liegen, dass dein Körper es nicht verträgt. In jedem Lebensmittel stecken hunderte, wenn nicht gar tausende unterschiedliche Substanzen. Das gilt nicht nur für industriell gefertigtes, sondern auch für natürliches.
Wenn unser Körper eine der in der Nahrung enthaltenen Substanzen nicht ganz verträgt, kann einem ganz schön übel davon werden. Schwindel oder auch ein vages Unwohlsein sind ebenfalls möglich. Dies reicht, damit sich der Körper in Zukunft sagt: „Das essen wir lieber nicht mehr“.
Wird dir von einem bestimmten Lebensmittel immer übel? Dann hast du vielleicht eine nicht diagnostizierte Unverträglichkeit.
Schlechte Erinnerungen vermiesen den Appetit
Wenn wir ein Lebensmittel mit einer negativen Situation verbinden, dann kann es unsere Lust an diesem langfristig ruinieren und es für uns so ungenießbar machen. Zum Beispiel haben Kinder, die während einer Chemotherapie ihr Lieblingsessen serviert bekommen haben, dieses später nicht mehr gemocht.
Auch einmal etwas Verdorbenes zu essen kann dazu führen, dass wir dieses Lebensmittel künftig meiden. Außerdem können gesellschaftliche Trends beeinflussen, was wir essen. Einige Menschen verzichten zum Beispiel auf glutenhaltige Nahrung, obwohl sie gar keine Glutenunverträglichkeit diagnostiziert bekommen haben. Hier ist die Ernährung unter anderem ein Mittel zur Auslebung der eigenen Individualität, meint Ellrott.
Ich selbst mache einen großen Bogen um Fleischsalat, seit ich mit vierzehn durch verdorbenen Fleischsalat eine furchtbare Nacht in einem Kärntner Hotel verbracht habe.
Thomas Ellrott, SZ
Es ist also möglich, dass du eine negative Erfahrung mit einem Lebensmittel gemacht hast – und dein Körper versucht jetzt, die nicht zu wiederholen.
„Wurden Sie gestillt?“
Anschließend fragt Ellrott seinen Interviewpartner, ob er denn gestillt wurde. Es klingt zwar verblüffend, ist aber wahr: Ob du als Baby gestillt wurdest oder nicht kann tatsächlich einen Einfluss darauf haben, was du in deinem späteren Leben gerne isst.
Genauer gesagt wirst du vermutlich lieber Sachen essen, die auch deine Mutter während ihrer Schwangerschaft gegessen hat. Noch wichtiger ist aber laut Thomas Ellrott die Zeit danach, denn: Die Eltern sind das Vorbild, an dem wir uns orientieren. Wenn sie sich ausgewogen ernähren, dann wirst du das mit höherer Wahrscheinlichkeit auch tun.
Solltest du Geschwister haben, kann sich das auch auf deine Essgewohnheiten auswirken. Über das Essen haben Kinder eine Möglichkeit, sich von ihren Geschwistern abzugrenzen und Aufmerksamkeit zu bekommen. So ähnlich also, wie wenn ihr versucht, euch über euren Musikgeschmack vom Rest der Familie abzugrenzen.
Wurdest du als Säugling gestillt, kann eine Vorliebe für bestimmte Lebensmittel bedeuten, dass deine Mutter diese gerne während der Schwangerschaft mit gegessen hat. Vielleicht spiegeln sie auch die Vorlieben deiner Eltern – oder widersetzen sich denen deiner Geschwister.
Die Angst vor Neuem
Eine sogenannte Neophobie (also „Angst vor dem Neuen“) kann ebenfalls Einfluss darauf haben, was du isst. Viele finden sich eher mit dem ab, was sie schon kennen, als zu experimentieren und etwas potenziell Unverträgliches zu essen. Das ist evolutionsbiologisch eine sinnvolle Sache, inzwischen aber nicht mehr so relevant.
Hiergegen hilft, früh anzufangen und sich als Kind breit gefächert zu ernähren. Wenn du an mehr gewöhnt bist, probierst du auch eher etwas Neues. Zudem kann es helfen, sich langsam an etwas heranzuwagen.
Ein Beispiel: Magst du keinen Passionsfruchtsaft? Dann versuche, dich über Orangensaft anzunähern. Der schmeckt immerhin ähnlich. Verdünnen kann in diesem auch Fall helfen, den Geschmack abzuschwächen.
Bei einigen Nahrungsmitteln hilft aber alles nichts und man kann sich nur dazu zwingen. Hast du unbedingt Lust auf frittierte Heuschrecke oder einen Tarantel-Burger? Dann heißt es: Augen zu und durch.
Hast du sehr strikte Essgewohnheiten, aus denen du kaum ausbrichst? Dann kann das heißen, dass du Angst vor Neuem im Allgemeinen hast und lieber bei Bekanntem bleibst, als dich so richtig auszutoben.
Der Drang nach Süßem ist tief verwurzelt
Auch interessant: Süßes bietet einen Überlebensvorteil gegenüber Bitterem. Süßer Geschmack verspricht nämlich lebensnotwendige Kalorien. Dazu ist Nahrung mit süßem Geschmack praktisch nie giftig – im Gegensatz zu bitterer Nahrung. Darum zieht es unseren Körper so sehr nach Süßem, auch wenn es uns heute mehr schadet als hilft.
Unser Essverhalten wurde durch Zehntausende Jahre des Hungers und Mangels geprägt. Waren Kalorien beizeiten knapp bemessen, so galt dies nie für Vitamine oder Mineralstoffe. An diese kam der Mensch in der Vergangenheit recht leicht heran, etwa durch Obst und Gemüse. Es gab also nie einen Grund, einen Drang danach zu entwickeln.
Und aus genau diesem Grund müssen wir uns heute alle selbst um Mäßigung bemühen, wenn wir uns noch gesund ernähren wollen. Ihr solltet hierbei also nicht nur auf euer Bauchgefühl vertrauen.
Bildquelle: Tamas Pap auf Unsplash