Wenn Männer lieber schweigen

Ja dann sag doch was!

Viele Männer, ich inklusive, müssen uns dann Sachen anhören wie „Ich habe gar nicht gemerkt, dass es dir so mies geht. Hättest du doch nur was gesagt!”. Das sind oft die gleichen Personen, die scheinbar ihre Fähigkeit zu sprechen verlieren, wenn man  sich ihnen dann doch mal öffnen will. Ich habe schon viel zu oft erlebt, dass selbst enge Freund*innen wie eingefroren dastehen, wenn ich mal ernsthaft über meine Sorgen, Ängste oder mentale Gesundheit reden will. Ist es dann wirklich noch überraschend, dass viele Männer ihre Probleme lieber für sich behalten?

Es heißt gerne, Männer seien in unserer Gesellschaft privilegiert und ihnen würde alles leicht gemacht. Ich habe ein gewaltiges Problem mit dieser Auffassung: Klar haben Männer es in einigen Belangen leichter als Frauen. Doch dasselbe lässt sich auch umgekehrt sagen, denn Männer stehen ebenfalls vor Problemen, denen sich Frauen im Normalfall nicht stellen müssen. Frauen haben in der Regel etwa mehr Kontakte, mit denen sie über Probleme reden können. Männer untereinander sollen möglichst nicht über Gefühle reden und werden zudem dazu angetrieben, all ihre Probleme alleine zu lösen. Und selbst wenn der eigene Freundeskreis das nicht so sieht, so ist das immer noch eine weit verbreitete Vorstellung innerhalb unserer Gesellschaft, die Gewicht hat. Wir reden hier von einem Land, in dem es bis vor ein paar Jahren noch üblich war, bei Unfällen mit Todesopfern die Zahl an Frauen und Kindern gesondert zu nennen – als wäre ein Ereignis noch tragischer, wenn sich nicht nur Männer unter den Opfern befinden.

Den meisten „Ja dann sag doch was!“-Typen, scheint also nicht klar zu sein, dass Männer und Frauen durch ihre unterschiedliche Sozialisation nicht unbedingt dieselben Chancen haben, mit ihren Gefühlen auf eine gesunde Art und Weise umzugehen oder gar nie gelernt haben, wie sie damit am besten umgehen sollen.