Zurück zur Wehrpflicht: Muss ich bald zur Waffe greifen?

Marode Kasernen und das Grundgesetz

Neben den verschiedenen Modellen müsste auch eine praktische Umsetzung geprüft werden. Es bräuchte Unterkünfte, Geräte und Ausbilder*innen, doch schon jetzt fehlt es der Bundeswehr an allen Enden. Das bestätigte Anfang des Jahres der Wehrbericht 2022. Die Wehrbeauftragte Eva Högl sagte: „Die Bundeswehr hat von allem zu wenig.“ Die Kasernen seien in einem erbärmlichen Zustand und die Bestellung von Ausrüstung dauere bis zu zehn Jahre. Eine Wehrpflicht ist da unvorstellbar.

Zusätzlich könnte, neben der Kritik der Koalitionspartner und der maroden Bundeswehr, auch das Grundgesetz Pistorius einen Strich durch die Rechnung machen. Nach Artikel 12 des Grundgesetzes darf niemand zur Arbeit gezwungen werden. Zwar können im Krisenfall Männer zum Dienst verpflichtet werden, aber zum einfachen Militärdienst darf aktuell niemand gezwungen werden. Jedoch kann auch das Grundgesetz geändert werden, bis jetzt zieht Pistorius das aber nicht in Betracht.

Pistorius nicht ganz alleine

Abseits der Ampel gibt es jedoch Zuspruch für die Idee von Pistorius. CDU und CSU sind offen für eine allgemeine Wehrpflicht, nicht nur für die Bundeswehr. „Nicht allein die Bundeswehr hat erhebliche Personalsorgen – auch Blaulicht-Organisationen wie THW oder Feuerwehr“, sagte der Fraktionsvize Johann Wadephul. Im neuen Grundsatzprogramm fordert die CDU zwar keine Wiedereinführung der Wehrpflicht, es dürfe aber „keine Denkverbote für die Zukunft“ geben.

Eine Wehrpflicht im klassischen Sinne ist aktuell jedoch undenkbar. Es gibt keine politische Mehrheit, das Grundgesetz widerspricht der Idee und die Bundeswehr ist gar nicht in der Lage, so viele Soldat*innen auf einen Schlag aufzunehmen. Doch es gibt neben Pistorius Befürworter*innen einer Wiedereinführung der Wehrpflicht. Unter einer CDU-geführten Regierung könnte es, je nach Koalitionspartnern, eine politische Mehrheit geben, bei der Ampel aber nicht.

Der Personalmangel der Bundeswehr bleibt dennoch ein Problem. Doch anstatt Zwang braucht es wohl Attraktivität, um die Lücken zu füllen. Die Ampel hat schon eine Task Force ins Leben gerufen, deren Aufgabe es ist, wieder mehr Leute für die Bundeswehr anzuwerben. Die „Task Force Personal“ habe 65 sehr konkrete Vorschläge für Anwerbung, Rekrutierung, Ausbildung und Einstiegsvoraussetzungen, sagte Pistorius. Die Umsetzung soll Anfang 2024 starten. Es wurden schon Kampagnen auf YouTube gefahren und Schnupperkurse angeboten, bis jetzt ohne viel Erfolg. Vielleicht ist nicht das Marketing das Problem, sondern der Ist-Zustand.

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Bildquelle: Pixabay via Pexels, CC0-Lizenz