„Hallo Glück, komm rein“: Über die Angst vorm Glücklich-Sein

“Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen”. Auch wenn Goethe hier eher auf die Völlerei an Feiertagen anspielen wollte, lassen diese Worte weitaus mehr Spielraum für Interpretation. Es scheint, als wäre ein jeder auf der Suche nach seinem ganz persönlichen Glück. Doch wenn es dann mit gepackten Koffern an die Tür klopft, weil es jetzt, endlich, tatsächlich, langfristig einziehen will, dann heißt es nur noch: Panik. Was denken die Nachbarn? Was, wenn es ihm hier nicht gefällt? Und so hauen wir dem Glück die Tür vor der Nase zu. Wir trauen uns nicht.

Das Streben nach Glück

Dabei wollen wir sie doch, die guten Tage. Die Amerikaner nennen es “Pursuit of Happiness” – das Streben nach Glück – haben es in ihrer Unabhängigkeitserklärung verankert und drehen Filme darüber, die noch dem letzten Emotionslosen eine Träne entlocken. Ihr Klischee: Vom Tellerwäscher zum Millionär. Glück ist gleichbedeutend mit materiellem Wohlstand. Darüber lässt sich definitiv lange und ausgiebig streiten. Dass Glück für jeden Menschen ein bisschen was anderes bedeutet, ist nicht die allerneueste Erkenntnis. Darum geht es auch gar nicht. Es geht um den nächsten Schritt. Dem Glück nicht nur die Tür zu öffnen, sondern es auch reinzubitten.

Dem Pursuit of Happiness steht nämlich ein anderes Phänomen gegenüber – “Fear of Happiness” nennen es die Forscher. Es scheint als gäbe es Menschen, die sich ihrem eigenen Glück verschließen. Die Angst davor haben, glücklich zu sein. Doch woran mag das liegen? Auf den ersten Blick scheint es völlig unverständlich, warum jemand seinem eigenen Glück bewusst im Weg steht. Schaut man etwas genauer hin, findet man leider viele Argumente, die gegen das Glücklichsein sprechen.

Ohne Fleiß, nur Scheiß

In der Wirtschaft unterscheidet man freie von knappen Gütern. Freie Güter sind jederzeit und überall in der gewünschten Menge und Qualität verfügbar. Luft zum Beispiel – naja, außer in Shanghai vielleicht. Knappe Güter hingegen sind nicht so leicht zu haben. Glück fällt für die meisten Leute anscheinend in die Kategorie “knappes Gut”.

Uns wird suggeriert, dass es Glück nur als Ergebnis großer Mühe und Aufopferung gibt. “Ohne Fleiß, kein Preis”. Das Dilemma: Hat man diese Mühen erfolgreich auf sich Uns wird suggeriert, dass es Glück nur als Ergebnis großer Mühe und Aufopferung gibt. “Ohne Fleiß, kein Preis”. Das Dilemma: Hat man diese Mühen erfolgreich auf sich genommen, darf man sich natürlich “nicht auf seinem Erfolg ausruhen”.genommen, darf man sich natürlich “nicht auf seinem Erfolg ausruhen”. Zu fürchten hat man auch den Neid, denn “des einen Glück ist des anderen Leid”. Die deutsche Sprache gönnt uns aber auch gar nichts, schon gar nicht doppeltes Glück, denn hat man “Glück im Spiel”, dann nur wenn man im Gegenzug “Pech in der Liebe” hat. Deprimierend.

Glück ≠ Gute Laune

Glück ist also nichts Selbstverständliches. Schade, Schokolade. Als so genannter Glückspilz muss man sich ständig rechtfertigen und wird stets mit einem gewissen Misstrauen beäugt. Da geht doch etwas nicht mit rechten Dingen zu und außerdem ist das doch nicht normal, wenn man ständig gut drauf ist. Ha, Verwechslungsgefahr! Glück ist nicht gleich gute Laune. Man kann auch glücklich sein ohne den ganzen Tag mit einem festgetackerten Vaselinelächeln durch die Gegend zu rennen.

Glück ist nämlich Bewertungssache. Der eine zweifelt schon an seiner Lebensberechtigung, wenn ihm die U-Bahn vor der Nase davon fährt, der andere denkt sich: “Gut, da waren bestimmt Kontrolleure drin”. Die kalifornische Psychologie-Professorin Sonja Lyubomirsky spricht in diesem Zusammenhang von “happy habits”. Das bedeutet nichts anderes, als dass Menschen mit einer positiven Grundeinstellung genau dadurch ihr Glück noch verstärken.

Glück gibt es nicht nur im Unglück

Ein Irrtum ist es daher zu glauben, dass man sein Glück nur wertschätzen oder wahrnehmen kann, wenn man vorher mit Unglück konfrontiert wurde. Ich muss auch nicht ständig eine Vase mit einem bunten Blumenstrauß runterschmeißen und dann einen neuen kaufen, um zu checken, wie schön die Blumen sind. Humbug. Wobei…Die Scherben würden zumindest noch Glück bringen. Wie gesagt: Bewertungssache.

Also, fassen wir zusammen: Die Angst vorm Glück scheint in erster Linie durch äußerliche – in unserem Fall gesellschaftliche – Einflüsse bedingt zu sein. Neid, die Furcht es gleich wieder zu verlieren, das Gefühl, es nicht verdient zu haben. Ekelhaft. Macht euch doch bitte klar, dass Glück eben kein knappes Wirtschaftsgut ist, dass es jedem zusteht und vor allem eines: Wenn man selbst gut mit sich ist, kann man auch viel leichter gut mit der Welt sein.

Also, lasst uns einmal im Leben auf diese cheesy Internet-Lebensweisheiten-Bilder mit Strandmotiv hören oder von mir aus auch auf Hermann Hesse: “Gerade das ist es ja, das Leben, wenn es schön und glücklich ist ein Spiel! Natürlich kann man auch alles mögliche andere aus ihm machen, eine Pflicht oder einen Krieg oder ein Gefängnis, aber es wird dadurch nicht hübscher”

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Bild: Via Pexels unter cc0