Migration, Inflation und Co.: Davor fürchten sich Deutsche am meisten

Die Angst vor Konflikten durch Geflüchtete ist im Vergleich zum letzten Jahr stark gestiegen, das Vertrauen in die Politik gesunken – doch die zwei größten Ängste der Deutschen sind identisch geblieben. Wovor haben Deutsche Angst?

Seit über 30 Jahren befragt die R+V Versicherung die Deutschen nach ihren Ängsten. Es geht um Politik, Wirtschaft, Familie, Umwelt und Gesundheit. Die Studie zeigt, wie es unserer Gesellschaft geht, worüber wir uns Gedanken machen und auch rückblickend, was uns in den vergangenen Jahren beschäftigt hat. Insgesamt haben die Deutschen mehr Angst als letztes Jahr. Der Angstindex – der durchschnittliche Wert aller gemessenen Ängste – ist gestiegen.

Über die Hälfte hat Geldsorgen

Die Inflation beschäftigt und beunruhigt die Mehrheit weiterhin. „Die Menschen spüren beim Einkauf an der Supermarktkasse, dass sie für ihren Euro immer weniger bekommen“, sagt Studienleiter Grischa Brower-Rabinowitsch. Auf dem ersten Platz der größten Ängste der Deutschen liegt, wie auch schon letztes Jahr, die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten. Zwei Drittel der Deutschen haben diese Sorge. Die Angst vor explodierenden Preisen ist schon immer eine große Angst der Deutschen gewesen. Seit 1992 lag sie öfter als jedes andere Thema auf den oberen Plätzen: 13-mal auf dem ersten, siebenmal auf dem zweiten Platz.

Auch auf dem zweiten Platz landet eine finanzielle Sorge. 60 Prozent der Befragten haben Angst, dass das Wohnen in Deutschland unbezahlbar wird. Diese Angst belegte im vergangenen Jahr ebenfalls den zweiten Platz. Die Studie wird auch von einer Politikwissenschaftlerin der Philipps-Universität Marburg, Professorin Dr. Isabelle Borucki, begleitet. Sie warnt vor dieser großen sozialen Herausforderung: „Die eigenen vier Wände bilden die Grundlage für eine sichere Existenz. Hier ist der Staat in der Pflicht – das Recht auf Wohnen ist ein Menschenrecht.“

Angst vor Folgen neuer Migrant*innen in Deutschland steigt

Am stärksten gestiegen ist die Angst, dass die Zahl der Geflüchteten die Deutschen und ihre Behörden überfordert. Die Angst wuchs im Vergleich zum Vorjahr um ganze elf Prozentpunkte und liegt daher nun mit 56 Prozent auf dem vierten Platz. Neu ist auch, dass die Angst mittlerweile in Westdeutschland größer ist als in Ostdeutschland. Bisher war diese Angst im Osten immer deutlich größer als im Westen. Ebenso gestiegen ist die Sorge, dass der Zuzug weiterer Menschen aus dem Ausland das Zusammenleben zwischen Deutschen und bereits hier lebenden Migrant*innen beeinträchtigen wird.

Die Sorgen sind jedoch nicht auf die Höchstwerte von 2016 angestiegen. Damals gaben zwei von drei Befragten an, Angst vor einer Überforderung des Staates und vor Spannungen durch den Zuzug weiterer Ausländer*innen zu haben. Trotzdem sieht die Politikwissenschaftlerin Borucki eine Gefahr in der Wahrnehmung der Bevölkerung: „Diese Entwicklung muss die Politik ernst nehmen und Lösungen aufzeigen, damit Migration als Chance und nicht als Bedrohung erlebt wird.“

Spaltung der Gesellschaft und Vertrauen in die Politik

Jede*r zweite Deutsche hat Angst, dass die Spaltung der Gesellschaft größer wird. Die Frage ist neu in der Studie und direkt auf dem achten Platz gelandet. Eine gewisse Spaltung zwischen Links und Rechts, Arm und Reich oder Stadt und Land habe es schon immer gegeben, sagt Borucki. Aber vor allem die Spaltung wischen Links und Rechts werde immer sichtbarer.

Hinzukommt das offenbar sinkende Vertrauen in die Politik. Zwar trauen die Deutschen den Politiker*innen traditionell wenig zu, dennoch sind die Sorgen noch einmal gestiegen. 51 Prozent fürchten, dass die deutschen Politiker*innen mit ihren Aufgaben überfordert sind. Gründe seien unter anderem die ungefilterten Streitigkeiten in der Ampel und eine schwache bürgerliche Opposition. Die Professorin findet die Ergebnisse alarmierend: „Das generell sinkende Vertrauen in die Politik sollte bedenklich stimmen, da es auf eine langsame Gefährdung der Demokratie hindeuten kann.“

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Bildquelle: Karolina Grabowska via Pexels; CC0-Lizenz