Billy Joel Liebeserklärung Zeitjung

Liebeserklärung an: Billy Joel

Es sind die kleinen Dinge, die uns unseren tristen Alltag versüßen und das Leben ein bisschen besser machen. Ob es hübsche Gänseblümchen sind, die am Straßenrand wachsen oder eine Kugel deiner liebsten Eissorte – wir alle haben kleine Muntermacher in unserem Alltag, über die wir nur selten ein Wort verlieren. Das soll sich jetzt ändern! Wir bieten euch eine Liebeserklärung an die kleinen Dinge, die uns in stressigen Situationen retten, an schleppenden Tagen motivieren oder uns die guten Tage versüßen!

Lieber Billy Joel,

was hat ein 70-Jähriger in einer Liebeserklärung bei ZEITjUNG zu suchen? Vielleicht der Umstand, dass du, Billy Joel, alles verkörperst, was erfolgreichen Pop ausmacht. Eingängige Melodien, einen „steady hit flow“ und mitreißende Live-Auftritte. Was dich von vielen anderen meines Erachtens aber unterscheidet, ist der Umstand, dass du dich auf fast jedem Album neu erfunden hast. Du bist ein Chamäleon des Pop, das sich mit jedem neuen Werk in einer anderen Farbe zeigte. Damit hast du dutzende Interpreten, selbst Rapper wie Xzibit, beeinflusst und inspiriert.

Zwei Songs, die alle lieben und hassen

Um dich zu „erklären“, Billy Joel, sollte man mit zwei Songs beginnen, für die dich die Menschen genauso lieben wie hassen. Dank dir dürfen (müssen?) wir seit 37 Jahren ertragen, dass Radio-Sender rund um die Welt „Uptown Girl“ durchnudeln. Ein Song, der Homer Simpson so sehr verwirrt hat, dass er ihn glatt für eine Hippie-Hymne hält. Und auch ein Song, der gern gecovert wurde. Ob nun die Version von Alvin und den Chipmunks, Westlife oder Aaron Carter die beste ist, das sei jedem selbst überlassen.

Der zweite Song, für den dich die Menschheit genauso verdammt wie lobt, ist „Just the Way You Are“. Nein, den hat Bruno Mars nicht gecovert, das ist ein anderer. Dein Song darf auf keiner Hochzeit fehlen, schnulzigem Electro-Piano und Saxofon sei dank. Funfact: Er wäre damals fast gar nicht auf deinem Album gelandet. Du und deine Band wussten damals im Studio einfach nicht, ob er gut ist, denn alle waren der Meinung, er sei ein „chick song“. Also musstet ihr auch ein „chick“ nach ihrer Meinung fragen. Wie gut, dass Linda Ronstadt im Nachbarstudio war und sie sagte, dass der Song einfach fantastisch sei. Das Ergebnis: Dein erster Top-Ten-Song in den USA und ein Grammy. Nicht schlecht.

Über Jahrzehnte ganz vorn mit dabei

Apropos Charts: Mit Zahlen wird gerne um sich geschmissen, um einen Künstler in den Himmel zu heben. Aber deine Zahlen sind tatsächlich beachtlich: 33 Top-40-Songs in den USA. Weltweit knapp 150 Millionen verkaufte Tonträger. Jedes Album von dir hat sich durchschnittlich zwölf Millionen Mal verkauft. Dein Erfolg speist sich also nicht, wie bei vielen anderen Künstlern, aus ein oder zwei erfolgreichen Alben, sondern aus gleich mehreren erfolgreichen Jahrzehnten.

Einmal quer durch die Welt des Pop – mit einem Pseudo-Afro

Wenn man sich deine Alben anhört, Billy Joel, wandert man einmal quer durch die Welt des Pop. „Piano Man“ von 1973 ist ein klassisches Singer-Songwriter-Machwerk, „52nd Street“ von 1978 ist hochgradig jazzy und schwarz wie Bohnenkaffe. Auf „Glass Houses“ von 1980 hast du dich als eine Art „Hardrock-Elvis“ inszeniert. Und mich als 19-Jährigen so sehr beeindruckt, dass ich genauso aussehen wollte, wie du. Ich kaufte mir eine schwarze Lederjacke, wie du sie auf dem Cover trägst, ließ mir sogar eine Dauerwelle machen, damit ich auch diesen coolen Pseudo-Afro tragen konnte. Ob mir das heute peinlich ist? Nicht wirklich. Denn mit diesem Look hatte ich bei meinem Lieblingssong „You May Be Right“ gleich doppelt so viel Spaß. Das war’s wert.

„Das kann doch nicht der Gleiche sein, der da singt?!“

In den 1980ern hast du dann außerdem noch ein Album gemacht, auf dem du deine großen Vorbilder, die Beatles, huldigst (1982 mit „The Nylon Curtain“). Und eines, mit dem du dich vor der großartigen Musik der 1950er und 1960er verneigtest („An Innocent Man“ von 1983).

Wenn man sich also durch diese Alben hört, merkt man, dass du eine Fähigkeit besitzt, die man nicht lernen kann. Du kannst deine Stimme auf Kommando „schwarz stellen“. Das hast du immer gern gemacht, um eines deiner anderen Idole, Ray Charles, zu imitieren. Du hast selbst immer gesagt, deine Imitation sei nicht der Rede wert. Aber das war ein gewaltiges Understatement. Bei so manchen Songs, die ich von dir das erste Mal hörte, dachte ich mir: „Das kann doch nicht der Gleiche sein, der da singt?!“ Ich empfehle jedem, der das hier liest, mal nacheinander „Vienna“, „52nd Street“ und „The Longest Time“ zu hören. Dann wisst ihr, was ich meine.

Bleichmittel oder Möbelpolitur?

Bei so viel Erfolg könnte man meinen, du hättest keine Probleme gehabt. Mitnichten. Als es 1970 mit deiner Karriere nicht so recht vorangehen wollte, unternahmst du einen Selbstmordversuch. Aber nicht etwa mit dem klassischen Strick um den Hals oder mittels eines Sprungs von der Brücke. Du hast eine Flasche Möbelpolitur leergetrunken. Später hast du dazu gesagt, du hättest dich für Möbelpolitur entschieden, weil die Flasche Bleichmittel, die daneben stand, bestimmt nicht so gut geschmeckt hätte. Geschmack hin oder her: Glücklicherweise fand dich dein Drummer rechtzeitig, sodass dein Magen ausgepumpt werden konnte. So ironisch es klingen mag: Deinem Suizidversuch haben wir den Song „Tomorrow Is Today“ zu verdanken, den du kurz darauf schriebst, um deine Gedanken zu verarbeiten.

Eine besondere Verbindung zu Deutschland

Was hier den Rahmen sprengen würde, aber zumindest kurz erwähnt sein sollte: Du hast eine verdammt spannende Familiengeschichte. Dein Vater, Helmut Joel, kam in Nürnberg zur Welt. Als deine jüdische Familie Nazi-Deutschland verlassen wollte, war dein Vater dazu gezwungen, den erfolgreichen Versandhandel, den dein Großvater einst gründete, zu einem Bruchteil des eigentlichen Werts zu verkaufen. Und zwar an einen gewissen Josef Neckermann (wer mehr darüber erfahren möchte, dem empfehle ich „Die Joel Story“ von Steffen Radlmacher).

Entsprechend gemischt waren deine Gefühle, als du in den 1970ern erstmals für Konzerte nach Deutschland kamst. Das Land, das deiner Familie so viel Leid zugefügt hat. Es spricht für dich, dass du heute sagst „Deutschland ist einer der Orte, wo ich am liebsten spiele. Ich bin gern dort und fühle mich verbunden mit der deutschen Kultur.“ Was bleibt mir da mehr, als mich bei dir zu bedanken. Danke, Billy. Für alles. Selbst für die Dauerwelle.

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Bildquelle: Sony Music