BORGA: „Diese Geschichte ist echt“

Borgas, das sind Ghanaer, die es im Ausland zu Ansehen und Reichtum gebracht haben. Im Film BORGA trifft der ghanaische Junge Kojo auf einen solchen Borga und träumt ab da davon, es selbst zu schaffen. Jahre später ergreift er die Möglichkeit, nach Deutschland zu gehen, muss aber dafür die Familie zurücklassen. In Deutschland angekommen, zerbricht sein Traum, aber zurück kann er nicht.

Wir haben mit Hauptdarsteller Eugene Boateng und Regisseur York-Fabian Raabe gesprochen über unterschiedliche Lebenswelten, die Dreharbeiten und das Besondere am Drehort Ghana.

ZEITjUNG: In dem Film wird Kojo nicht bloß auf seiner Reise begleitet, sondern der Film spielt aus seiner Perspektive. Wie hat sich die Idee entwickelt, aus der Einwanderer-Perspektive zu drehen und eben nicht bloß eine Geschichte über den Einwanderer zu erzählen?

Eugene Boateng: Finally! Finally! Oder? Wie war es denn für dich, den Film aus dieser Perspektive zu sehen?

ZEITjUNG: Ich würde sagen, dass man nahe am Geschehen dran war. Als hier lebender Mensch ist man immer nur Beobachter und kennt die andere Seite nicht.

York-Fabian Raabe: Und konntest du das nachvollziehen? Alles, was da passiert ist?

ZEITjUNG: Das schon, weil die Hintergründe ja klar werden.

Eugene: Geil!

York: Genau, das ist nämlich das Besondere, das ist der Faktor, bei dem wir Menschen uns in vielen Dingen sehr ähnlich sind. Da können wir die Perspektive wechseln und trotzdem alles auf einer Ebene erzählen, die für alle Menschen verständlich ist, oder für die meisten Menschen zumindest.

Eugene: Das war auch etwas, was für mich extrem wichtig war und ist, dass man das nachvollziehen kann, dass man sich mit der Figur identifizieren kann. Denn in den letzten Jahren wurde oft über sie erzählt, da stellt man sie heraus und sagt dann: „Diese wilden Afrikaner, diese Bösen! Und die leben in so einer Armut, wir haben es hier alle so gut und denen geht es so schlecht!“ Und finally! Denn diese wilden Afrikaner und diese Armen, über die immer gesprochen wird, das bin ich! Und wenn ich jetzt eine Geschichte erzählen darf, bei der du sagst, dass du dich mit der Figur identifizieren kannst, da sage ich: „Jetzt treffen wir uns, jetzt können wir quatschen.“ Ich finde es so wichtig, dass wir mehr solche Geschichten schaffen, auch aus dieser Perspektive. Dann begegnen wir uns auch im Alltag ganz anders. Dann sind das nicht mehr „Die“, dann sind das Wir.

ZEITjUNG: Waren die Authentizität und dieses Sich-Einfühlen-Können auch der Grund, dass der Film in Originalsprache gedreht wurde?

York: Eugene und ich sind ja nicht nur Regisseur und Schauspieler, sondern wir sind, zusammen mit Eric (Eric Golub, Anm. d. Red.), ein Kreativ-Team, und der sprachliche und kulturelle Teil war natürlich Eugenes Hoheitsbereich. Es gab den Film „Beasts of No Nation“ (2015, Cary Fukunage, Anm. d. Red.), der war auf so einem Pidgin-Englisch, damit man ihn besser versteht, damit der Film international mehr ausgeweitet werden konnte. Als wir uns dann unsere Gedanken gemacht haben, ging das bei uns hin und her. Was meintest du da, Eugene?

Eugene: Wir müssen diesen Film auf Twi (vor allem in Ghana gesprochene Sprache, Anm. d. Red.) drehen, er muss auf Twi sein, kein Wenn und Aber. „Ja, aber Eugene…“, nein, nein, nein, er muss auf Twi gedreht werden.

York: Und dann haben wir bei den Castings gemerkt, dass wenn die Schauspieler*innen ihre Muttersprache sprechen, wie beispielsweise Twi, sie so viel besser performen als in Englisch, worin wir sonst gedreht hätten. Und Dubbing kommt für uns nicht infrage, da verlieren wir die ganze Authentizität.

Kojo (Eugene Boateng, r.) macht Bekanntschaft mit Lina (Christiane Paul); © Chromosom Film GmbH

ZEITjUNG: Natürlich stecken hinter dem Film noch viel mehr als nur ihr zwei. Was hat diesen Cast ausgemacht? Was hat diese Zusammenarbeit besonders gemacht?

York: (lachend) Da bin ich vielleicht parteiisch, aber erst einmal, dass alle super abgeliefert haben. Eugene mit einer überragenden Leistung ganz vorne, aber auch dahinter sind ganz viele tolle Momente und ganz viele tolle Schauspieltalente haben sich offenbart. Das ist für mich schon das ganz besondere, dass das so viele Leute so gut zusammenbringen. Es macht mich als Regisseur natürlich auch total glücklich, die Bühne zu schaffen, dass die so performen können. Das ist schon nice!

Eugene: Für die allermeisten war es auch ein sehr persönlicher Film, das hat viel ausgemacht. Die meisten am Set waren persönlich von dieser Geschichte betroffen und hatten den persönlichen Wunsch, dass wir diesen Film schaffen, dass wir dieses Projekt kreieren. Das habe ich jeden Morgen gespürt, wenn ich ans Set gekommen bin, wie wichtig es für jede einzelne Person war. Natürlich war es aus der ghanaischen Perspektive besonders krass: „Wir haben einen Shot, sowas haben wir noch nie gemacht, noch nie gesehen, da legen wir jetzt alles rein. Wir starten etwas, was es noch nie gegeben hat. Wir können hier Geschichte schreiben und Teil davon sein.“ Somit war das für uns persönlich sehr wichtig. Für wen ich auch sehr dankbar war, war Christiane (Paul). Sie hat einfach eine richtig geile Energie reingebracht. Mit Jerry (Kwarteng), mit Prince (Kuhlmann), mit Thelma (Buabeng) war das irgendwie alles so familiär. Und dann gab es noch zusätzlich diese Liebesgeschichte, die erstmal nur im Drehbuch stand, und wir konnten gemeinsam diese Geschichte zum Leben erwecken. Für sie war es besonders wichtig, dass wir etwas schaffen, was authentisch ist. Das heißt, wir waren wirklich vom ganzen Cast her darauf bedacht, etwas zu schaffen, was so echt ist wie möglich. Bitte nur noch so etwas!