BORGA: „Diese Geschichte ist echt“

ZEITjUNG: Du, Eugene, hast einmal gesagt, dass man dich erst einmal ein halbes Jahr bearbeiten musste, bis du die Rolle angenommen hast.

York: Ein Jahr lang! (Beide lachen)

ZEITjUNG: Woher kamen diese Zweifel und was hat dich dann dazu bewegt, die Rolle doch anzunehmen?

Eugene: Wir schwarzen Schauspieler*innen sind komplett unterrepräsentiert im deutschen Film, und die Anfragen, die da so kommen, die zeige ich auch nicht so gerne. Die kommen ungern an die Öffentlichkeit, weil die peinlich sind. Und zu der Zeit, als die Anfrage kam, war ich sehr voreingenommen und dachte, das wäre jetzt nur so eine weitere schlechte Rolle, das habe ich gar nicht ernst genommen. Und nach einem Jahr Jagd auf mich habe ich dann das Drehbuch in die Finger bekommen.

York: Er hatte es vorher nicht gelesen, wir haben ihn nicht ein Jahr lang terrorisiert, sondern er hat einfach ein Jahr das Drehbuch nicht gelesen. Irgendwann haben wir uns getroffen und ich meinte: „Hier, Eugene, Hauptrolle, ist vielleicht ganz spannend, in Ghana, lies doch mal die ersten 15 Minuten. Wenn es schlecht ist, schmeiß es weg.“ Und dann hat er mehr als die 15 Minuten gelesen.

Eugene: Dann habe ich das Drehbuch verschlungen. Das, was mich berührt hat, war, dass es aus der Perspektive eines schwarzen Mannes erzählt wird, und diese Geschichte ist echt. Ich kenne diese Geschichte. Ich habe da immer die Geschichte meines Vaters drin gesehen und dachte: „Wow, ich habe richtig Bock, so eine Geschichte zu erzählen. Und vor allem bin ich nicht die einzige afrikanische Figur, sondern Kojo hat Familie, er hat eine Herkunft, man sieht seinen Hintergrund, man sieht sein Umfeld. Das ist ein Geschenk, das ist eine Möglichkeit, bei der wir etwas kreieren können, was authentisch ist.“ Jede Woche, jeden Monat kamen weitere Informationen, wer alles mitspielt. Dann haben wir in Ghana auch noch Jude (Jude Arnold Kurankyi) reinbekommen, der schon vorher ein Freund von mir war, mit dem ich schon Tanzprojekte gemacht habe vorher. Wir wurden ein heftiges Team.

Kojo (Eugene Boateng, r.) trifft in Deutschland auf Ebo (Prince Kuhlmann); © Chromosom Film GmbH

ZEITjUNG: Du bist in dem Film nicht der einzige Schauspieler mit ghanaischem Hintergrund. Wieso ist die Wahl auf Ghana als Drehort gefallen und wie war es, dort zu drehen?

York: Das Drehen in Ghana ist fantastisch, weil die Menschen vor Ort ganz toll sind, es ist einfach eine tolle Lebensatmosphäre. Und als Info: Wir sind ja nur mit 7 Leuten aus Deutschland gekommen, das heißt, wir haben da mit einem großen ghanaischen Team gedreht und das war toll. Die großen Produktionen, BBC, Netflix, bringen meistens schon ihre ganzen Heads mit, also Kostümbildner und so weiter, und dann sind die Ghanaer nur Assistenten. Wir sind gekommen und die ganzen Teammitglieder, die sonst immer nur Assistenten waren, waren auf einmal die Heads. Das war für alle natürlich ganz toll und die haben eine super Arbeit gemacht, in meinen Augen sogar eine bessere Arbeit als mit allen möglichen Leuten, die wir hätten aus Deutschland mitbringen können. Sie haben ein ganz tiefes Verständnis ihrer Kultur und ihrer Arbeit, das ist von außen natürlich schwer erlernbar, und deswegen hat das super gematched. (lachend) Was in Ghana halt die Herausforderung ist, ist das Leben, denn das spielt einem alle möglichen Sachen rein. Dass Dinge nicht funktionieren oder dass gerade ein Stau ist oder die und die Person fehlt und so weiter. So ein Filmset ist ja wie ein großer Flohzirkus und das muss alles immer zusammenhalten, und das ist in Ghana besonders spannend. Aber wenn man da mit guter Laune und Einfallsreichtum rangeht, dann kriegt man das auch gut hin.

Eugene: Weißt du, was krass war? Krass war, als ich in Ghana am Set war und mir irgendwann klar geworden ist: Ich bin hier nicht der Einzige. Und ich dachte: „Krass!“ Ich bin mit ghanaisch großgeworden, das ist meine erste Sprache. Und ich konnte in der Sprache, in der ich ursprünglich denke, rede, spreche, sofort etwas sagen. Es ist nicht, dass ich da etwas erklären musste, sondern es war ganz normal. Das war das erste Mal. Und da musste ich kurz einen Reality-Check machen, okay krass, das passiert gerade wirklich. Und das war auch die Herausforderung, als wir dann in Deutschland gedreht haben (York nickt), mir ist das gar nicht aufgefallen. York hat zu mir gesagt: „Was ist los mit dir? Du bist irgendwie nicht da, das ist hier dein Film, dein Set, wach mal auf.

York: (lachend) Er war zurückhaltend, ich dachte mir: „Oh, er ist zurückhaltend, mit dem müssen wir gleich mal sprechen.“

Eugene: Ja, es hat mir voll etwas gegeben, in Ghana nur von Ghanaern umgeben zu sein, ich dachte mir: „Okay, jetzt bin ich zuhause. Let‘s go!“ Dann machen wir dasselbe Projekt in Deutschland und plötzlich war alles: „Uff“, alles war immer nur Ghana, Ghana, Ghana. Ich bin in dem Augenblick der Ghanaer gewesen, der gerade aus Ghana gekommen ist in diese weiße Welt und sich erst einmal zurechtfinden muss. Das hat etwas mit meiner Rolle und mit mir privat gemacht. Nachdem ich diesen Einlauf von York und Eric bekommen hatte, bin ich in meinen Trailer (Wohnwagen am Set): „Klarkommen, klarkommen, klarkommen!“ Ich glaube, ich habe erst einmal einen Tag gebraucht.