Mann mit Feuermelder

Im Land der Verschwörungstheorien

Gibt es einen Typus Menschen, der besonders anfällig für Verschwörungstheorien ist?

Nein, Verschwörungstheoretiker*in kann jeder werden. Es gibt auch die ein oder andere Verschwörungstheorie, an die ich vielleicht nicht glaube, aber mir denke: Da könnte man nochmal ein bisschen nachforschen. Wenn man nach Mustern sucht, dann können wir zum Beispiel sehr schwer mit Unsicherheiten umgehen. Das spielt natürlich Verschwörungstheorien in die Hände, dass wir überall gerne Verbindungen hätten. Es gibt so ein paar Unterschiede zwischen Männern und Frauen an was für Verschwörungstheorien sie glauben, Unterschiede zwischen Ost und West sowie Unterschiede zwischen verschiedenen Zeiten. Und dann gibt es noch die Selbstwirksamkeitsstörung, die viele Menschen gemeinsam haben. Die sind besonders anfällig für so eine Art von Theorien. 

Selbstwirksamkeitsstörung heißt in der Psychologie, dass Leute das Gefühl haben, sie hätten ihr Leben nicht im Griff oder hätten keine Kontrolle über das eigene Leben und Denken, das sie selber gestalten. Das erklärt zum Beispiel auch, warum es bei Corona so viele Verschwörungstheorien gibt. Natürlich gibt es da Leute, die massive Selbstwirksamkeitsstörungen entwickeln. Es fällt schon auf, dass Leute mit einer Selbstwirksamkeitsstörung gerne verleitet werden, Verschwörungstheorien zu glauben. Zum einen, weil sie ihnen selber einen Grund geben dafür, dass etwas Schlimmes passiert ist, aber auch, weil sie ihnen Selbstvertrauen geben. Überall sind Deppen, aber ich habe die Wahrheit verstanden. Das Problem ist aber natürlich, dass das nur eine Pseudolösung ist, weil sich diese Menschen dann im Nachhinein oft noch ohnmächtiger fühlen. Natürlich, wenn du an solche Verschwörungstheorien glaubst, dann kannst du in der Regel nichts dagegen ausrichten. Im Hintergrund sind ja die unglaublich mächtigen Strippenzieher und die haben ja die eigentliche Macht und sind so einflussreich, dass man da nichts machen kann. Und das führt am Ende zu noch mehr Unsicherheit.

Das Internet kann nicht als Ursache gesehen werden, weil es ja auch schon viel länger Verschwörungstheorien gibt. Aber welche Rolle spielt es? Ist es eine Art Katalysator?

Das ist eine ganz große Frage. Ich glaube, man ist immer ein bisschen schnell an der Hand zu sagen, dass das Internet schuld sei. So einfach ist das aber nicht – aus verschiedenen Gründen. Zum einen ist es so, dass man durch das Internet bestimmte Theorien nicht mehr so leicht glauben kann. Heute kann man bei vielen Dingen sofort Nachforschungen betreiben und stößt dann hoffentlich auf eine seriöse Seite, was man nicht unterschätzen darf. Es ist aber natürlich so, dass Verschwörungstheorien oft auch etwas Emotionales sind. Es geht nicht nur um Fakten. Die Leute glauben gerne daran, weil sie es glauben wollen und sich davon etwas versprechen. Da kann man dann wenig machen. Es ist dann trotzdem immer noch so, dass vielleicht das Internet so etwas nur sichtbarer macht. Nur weil wir das Gefühl haben, dass es total um sich greift, muss es nicht wirklich mehr sein.

Ich glaube schon, dass in der Tendenz soziale Medien vielleicht eine eher unglückliche Rolle spielen, weil wir wissen, dass sich Lügen und Falschbehauptungen schneller verbreiten als die Wahrheit. Aber die Frage ist: Wenn das so ist, wie groß ist dann wirklich der Effekt? Es ist vielleicht ein Effekt, der kleiner ist, als man denkt. Das ist zumindest mein Eindruck.