Daniel Zachrisson: „Choreograf und Tänzer gleichzeitig sein“

Momente mit der Kamera einfangen – das ist die große Kunst der Fotografie. Jeder Künstler hat seine eigenen Wege, dies umzusetzen. Daniel Zachrisson ist ein schwedischer Fotograf und Designer, der seine Bilder aufs Wesentliche reduziert, um dann den Kern einzufangen. Mit ZEITjUNG hat Daniel Zachrisson über Inspiration und das Ausbrechen aus eigenen Grenzen gesprochen.

ZEITjUNG: Deine Motive sind sehr minimalistisch und reduziert – wie hast du deinen eigenen Stil gefunden?

Daniel Zachrisson: Ich glaube, dass es bei guter Kommunikation oder gutem Design, darum geht, das Wichtige zu extrahieren und das Unnötige einfach weg zu lassen. „You’ve got to pick the notes you really mean“, hat es Thelonius Monk genannt. In gewisser Weise ist Fotografie für mich ein kreativer Raum, in dem ich mit meiner Ästhetik in Kontakt trete und dabei Wege erkunde, mich selbst auszudrücken.

Du portraitierst sowohl Menschen als auch Landschaften und Objekte – was ist das Aufregende daran, als Fotograf eine weite Bandbreite zu bedienen?

Ich habe kürzlich einen Architekturfotografen getroffen, der meinte, dass man sich auf eine Sache konzentrieren muss, um darin richtig gut zu werden. Ich verstehe, und bewundere diese Position, aber ich freue mich über zu viele Dinge, um nach diesem Prinzip zu leben. Ich arbeite in einer Art Alltags-/ Dokumentar-Tradition: aktuell bin ich nicht sehr konzeptuell, wenn es um meine eigene Fotografie geht. Ich ziehe fast nie los mit dem Ziel Bilder zu machen, ich reagiere eher auf Situationen.

Welche Emotionen willst du mit deiner Fotografie ausdrücken?
Ich wünschte, ich hätte darauf eine direkte Antwort. Es ist dieses Spannungsverhältnis zwischen aktiver Teilnahme und Beobachten, die bei Fotografie reinspielen. Das ist für mich eine Triebkraft. Aber auch ein Paradox von simultanem Erzählen und Erleben. Wahrscheinlich sagt das mehr über meine persönlichen Beweggründe aus, als über meine Fotos. Ich denke, in meinen Fotos geht es um Grenzen, zwischen Einsamkeit und Sympathie, Trostlosigkeit und Schönheit – und natürlich offensichtlicher: Grenzen zwischen Dunkelheit und Licht. Bestenfalls rufe ich Unsicherheit über diese Grenzen hervor.

Du arbeitest auch als Designer: Wie profitierst du davon in mehreren kreativen Bereichen zu arbeiten?
In den vergangenen Jahren habe ich Fotobücher für den Verlag New Heroes & Pioneers designt, was bedeutete, dass ich mit vielen großartigen Fotografen wie Maria Svarbova, Can Dagarslani und Marta Bevacqua arbeiten durfte. Es ist schön, von den Konzepten und Stilen Anderer zu lernen und Inspiration zu sammeln. Ende des Jahres werde ich mein eigenes Buch veröffentlichen. Es wird spannend zu sehen, wie andere Designer meine Fotografie verstehen. Als Art Director/Designer kann ich sehr strukturiert und analytisch sein – und manchmal etwas langsam – aber die Fotografie, die ich für mich selbst betreibe, ist spontaner und improvisierter. Ich glaube, man kann Choreograph und Tänzer gleichzeitig sein, trotzdem sehe ich da einen Konflikt. Ich hatte mal Regel Nr. 8 von „10 rules for students and teachers“ von John Cage auf meinem Schreibtisch stehen als Reminder diese Dinge zu trennen: „Do not try to create and analyze at the same time. They are different processes.“

Wie wichtig ist es als Künstler auch Auftragsarbeiten zu machen neben eigenen Projekten? Schränkt es dich als Künstler ein, bis zu einem gewissen Grad von Aufträgen abhängig zu sein?
Ich bin mir nicht sicher, ob Auftragsarbeiten als Künstler wichtig sind, solange man finanziell abgesichert ist und sozialen Austausch über die Arbeit anderswo findet. Allerdings ist es mir wichtig mich bei Projekten zu engagieren, die meine Grenzen erweitern – sowohl technisch als auch stilistisch. Aus der Komfortzone zu treten – es stimmt alles, was darüber gesagt wird! Als ich noch als Art Director in Werbeagenturen gearbeitet habe, war meine Fotografie mein Spielplatz. Seit ich mich vor einigen Jahren selbstständig gemacht habe, hat sie sich natürlich in einen Teil meiner Arbeit verwandelt. Das ist gut und schlecht zugleich: es ist so leicht, sich zwischen den Deadlines zu verirren.

Was inspiriert dich und wann bist du kreativ?
Für meine eigene Fotografie muss ich mich dem „Trubel“ entziehen, vom täglichen Flow abkapseln und Dinge einfach fertig stellen. Für Auftragsarbeiten jedoch arbeite ich unter großen Einschränkungen und Deadlines. Eine komplizierte Jonglage – das ist es. Visuell könnte ich eine Menge inspirierender Figuren nennen. Wolfgang Tillmann ist wahrscheinlich der Wichtigste. Allerdings sind Musik und Sound mein hauptsächlicher kreativer Support und meine endlose Inspirationsquelle. Ich stehe auf Klangkünstler wie Ben Frost, Sarah Davachi und Tim Hecker. Für mich kreieren diese experimentellen Komponisten Orte und Bilder und intensivieren die Gegenwart – und bringen dich auf Reisen.

 

 

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Bildquelle:  Daniel Zachrisson.