#FragenNachZahlen mit Dennis Lloyd: „With what do you waste your time?“

Während die ganze Welt bereits Dennis Lloyds Musik hörte, hatte er selbst davon noch keine Ahnung. In Israel, dem Heimatland des jungen Musikers, ist Spotify nicht so weit verbreitet wie in Europa oder den USA. Deswegen fiel er auch aus allen Wolken, als plötzlich Plattenverträge wie Sand am Meer in seinem Postfach landeten. Wir haben den Musiker bei seinem Konzert in München getroffen und mit ihm über Hype, und darüber, warum man immer wieder aus seiner Routine ausbrechen sollte, gesprochen.

ZEITjUNG: Wie bist du zur Musik gekommen?

Dennis Lloyd: Im Alter von 8 Jahren habe ich angefangen, Trompete zu spielen, mit 13 kam dann Gitarre dazu. Sobald ich ein paar Akkorde konnte, habe ich Lieder geschrieben. Kurz darauf war ich mit meiner Familie in Amerika und habe mir mein erstes Mikrofon gekauft. Das war ein furchtbares Teil, richtig schlechte Qualität, das man über den USB-Anschluss mit dem Computer verbinden konnte. Aber es hat seinen Zweck erfüllt – ich habe angefangen, meine Musik aufzunehmen und selbst zu produzieren. Später war ich auf einer Kunsthochschule. Mit 18 habe ich dann aufgehört Musik zu machen, weil ich zum Militär gegangen bin. In Israel ist ein dreijähriger Wehrdienst verpflichtend. Ich habe zu mir selbst gesagt, wenn ich nach dem Wehrdienst immer noch Musik machen möchte, dann mache ich das. Ich hatte auch keinen Plan B, kein Studium als Rücklage oder Ähnliches. Nach meiner Zeit beim Militär bin ich dann nach Bangkok gezogen. Ein Freund eines Freundes aus Thailand hatte mich angerufen und gemeint, dass er meine Musik gut findet. Außerdem sagte er, ich solle nach Bangkok kommen. Also habe ich meine Koffer gepackt und bin los. Das war wie ein Zeichen, das ich in dem Moment gebraucht habe.

Was hast du dort gemacht?

Ich war ein Jahr dort, komplett isoliert von der Außenwelt. Ich hatte kein WLAN, kein Radio, nichts. Ich habe mir nicht mal Musik angehört. Ich wollte mich zu hundert Prozent darauf fokussieren, Musik zu machen und herauszufinden, wie ich klingen möchte und wer ich sein möchte. Und das war es dann, ich habe angefangen, Musik zu veröffentlichen. Ich habe alle möglichen Kanäle bespielt und hatte ein kleines Publikum. Eines Tages bekam ich dann eine Mail von einem Plattenlabel. Und dann noch eine, am gleichen Tag. Und noch eine. Ich war vollkommen verwirrt, habe die Verantwortlichen gefragt; Wie habt ihr mich gefunden? Sie sagten zu mir: hast du in Spotify geschaut? Also musste ich Spotify hacken, um darauf zugreifen zu können. Und dann habe ich es gesehen – mein Song „Nevermind“ war weltweit in den Charts. Das war einfach absolut verrückt.

Was ist das für ein Gefühl, quasi über Nacht berühmt zu sein?

Kennst du den Film „Searching for Sugarman„? Er ist fantastisch! Es geht um einen Musiker in den USA, Rodriguez, der ein Album gemacht hat, das sich nur schlecht verkauft. Ein Mann aus Südafrika hat das Album  mit nach Südafrika genommen, wo es zu der Zeit eine Revolution gab. Niemand weiß genau warum, aber die Lieder von Rodriguez haben sich schlagartig verbreitet und wurden quasi zur Hymne der Protestbewegung. Und plötzlich haben alle Menschen in Südafrika seine Lieder gesungen, jeder wusste, wer Sugarman, also Rodriquez, ist. Nur er selbst hatte keine Ahnung, es gab ja noch kein Internet oder so. Jahre später fand er heraus, dass er ein Superstar in Südafrika ist. Genauso, wie es in dem Film gezeigt wird, hat es sich für mich angefühlt.

Macht einem der Hype manchmal auch Angst? Angst vielleicht, die nun hoch gesteckten Anforderungen nicht zu erfüllen?

Stress und Druck ist in der Musikindustrie ganz normal. Aber ich kenne mich gut genug, ich weiß, was ich will und was nicht und Stress gehört definitiv nicht dazu. Klar ist es manchmal unvermeidlich, aber ich mache meine Musik immer für mich. Das nimmt den Druck heraus. Ich freue mich, wenn anderen Menschen meine Musik gefällt, aber grundsätzlich mache ich Musik für mich. Bis letztes Jahr hatte ich so viele Ziele. Beispielsweise wollte ich immer schon mal in den „FIFA“-Soundtrack. Ich habe das Spiel schon als Kind gespielt. Jetzt ist mein Song „Wild West“ in dem Spiel, es ist absolut wahnsinnig. Ich habe immer von dem Leben geträumt, das ich heute habe. Ich lebe meinen Traum – wie könnte einem so etwas Angst machen?

Dein bisheriges Leben, so scheint es, ist ziemlich geprägt gewesen von radikalen Umbrüchen. Die Zeit beim Militär, dann das Leben in Bangkok. Inspiriert dich der Bruch mit der Normalität?

Wenn Menschen das Gleiche für eine lange Zeit machen, ist es wie auf einer Autobahn zu fahren. Alle fahren in die selbe Richtung und nach so langer Zeit, fragst du dich selbst irgendwann; wo fahre ich eigentlich hin? Fahre ich nur allen anderen hinterher? Manchmal braucht jeder Mensch einfach eine Pause, um kurz zu reflektieren, wohin man im Leben möchte. Pausen führen dazu, dass man sich und sein bisheriges Tun hinterfragt und neu evaluiert.

Hast du manchmal das Gefühl, anderen Musikern nur hinterherzufahren? Wie groß ist der Einfluss anderer Musiker auf dich?

Ich liebe es, Musik zu hören. Dadurch, dass ich in Thailand keine Musik gehört habe, musste ich selbst die Musik machen, die ich hören wollte. Ich habe quasi meinen eigenen Radiosender erzeugt. Also ja, der Einfluss anderer Musiker ist natürlich sehr groß. Dennoch mache ich mein eigenes Ding. Meine größten Vorbilder sind Kurt Cobain und Chris Cornell. Als ich jünger war, so 10 oder 12, hatte ich ein riesiges Kurt Cobain Poster über meinem Bett. Auch beim Schreiben von „Nevermind“, war er in meinem Hinterkopf. Ich wollte, dass wenn Leute „Nevermind“ googeln, mein Name neben seinem steht.

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Bilder: MCS-Berlin