Liebeserklärung an: die Trashmusik in deiner Playlist

Es sind die kleinen Dinge, die uns unseren tristen Alltag versüßen und das Leben ein bisschen besser machen. Ob es hübsche Gänseblümchen sind, die am Straßenrand wachsen oder eine Kugel deiner liebsten Eissorte – wir alle haben kleine Muntermacher in unserem Alltag, über die wir nur selten ein Wort verlieren. Das soll sich jetzt ändern! Wir bieten euch eine Liebeserklärung an die kleinen Dinge, die uns in stressigen Situationen retten, an schleppenden Tagen motivieren oder uns die guten Tage versüßen!

Liebe Trash-Musik,

du bist das wahrscheinlich am sorgsamsten gehütete Geheimnis eines jeden Menschens. Zu Zeiten von Schallplattenspielern musste man sich zu dir bekennen, war doch der Beweis für deine Existenz als 30 Zentimeter große LP für jeden sichtbar im Wohnzimmer platziert. Heute kann man dich gut verstecken, als geheime Playlist auf Spotify oder als gelöschten Verlauf auf YouTube. Dabei sollte man sich niemals für dich schämen oder beschämen lassen. Du bist ein wenig wie in der Nase zu popeln – jeder macht es, keiner gibt es zu. Was für ein Glück, dass es dich gibt, liebe Trashmusik! Du bist das Ehrlichste, was der Mensch tagtäglich so fabriziert. Du beinhaltest große Geschichten, schweren Herzschmerz, kilometerweite Joggingrunden und ganz viel Alkohol.

Ohne dich würden der Musik so viele Gefühle fehlen

Welche Lieder würde man bei langen Autofahrten aus den Fenster gröhlen, zu welchen Stücken sollte man betrunken in der Küche tanzen? Zu welchen Liedern kann man sich sonst (vollkommen ironisch, natürlich) auf der Tanzfläche austoben? Zu welchem Lied sollen denn dann alle die Augen verdrehen, wenn es als Rauswerfer gespielt wird, und sich nur insgeheim ein klein bisschen freuen, dass man jetzt den ganzen Nachhauseweg „Angels“ vor sich hin summen wird?

Mainstream ist für viele das Sinnbild für schlechten Geschmack

Nein, nein, wir bewerten alle den Musikgeschmack von anderen Menschen nicht, niemals, wir hören nämlich alle nur musikalisch wertvollen Independent Techno, aber wenn es etwas gibt, was wir alle hassen, dann ist es der „Mainstream“. Ein Lied, dass in die Charts kommt, ist ironischerweise für den Teil der Bevölkerung, die sich den guten Musikgeschmack auf die Fahne geschrieben hat, direkt disqualifiziert. Charts, das ist was für die Familienväter, die das Radio anmachen, „damit es beim Heimfahren nicht so ruhig ist“, oder für die Leute, die Diskotheken mit Namen wie „Okay“ oder „Peaches“ besuchen, die man selbst nach dem 16. Lebensjahr tunlichst zu vermeiden sucht. Guter Musikgeschmack ist für die meisten Leute klar definiert, weniger in dem, was er ist, aber sehr klar in dem, was er nicht ist – Mainstream. Charts. Musik, die viel gehört wird. Musik, die noch nicht alt genug ist, um wie die Beatles als Klassiker durchzugehen, sondern nur so alt, dass man sie ausschließlich ironisch hören kann, wie Jennifer Lopez zum Beispiel.

Musik soll Emotionen wecken

Dabei muss Musik nicht immer „musikalisch hochwertig“ sein, die Definition von dieser Bezeichnung ist sowieso niemandem klar. Musik muss Emotionen wecken, muss bewegen. Ich möchte mich von dem Musiker verstanden fühlen und mich in seine Lieder wie in eine warme Decke wickeln. An manchen Tagen ist das Yung Hurn, an manchen Leonard Cohen. Manchmal fühle ich mich von Amy Winehouse, manchmal von Taylor Swift verstanden. An manchen Tagen trifft ein Jazzstück meine Stimmung, manchmal industrieller Techno. Nichts davon ist gut, nichts davon schlecht.

Welche Musik jemand hört, sagt mehr über ihn aus, als seine Textnachrichten

Auf Spotify gibt es eine Funktion, über die man sehen kann, welche Lieder deine Freunde gerade hören. Ich finde, es gibt kaum etwas persönlicheres, da soll jemand lieber meine Textnachrichten mitlesen. Wenn ich sehe, dass jemand um 3 Uhr nachts Whitney Houston’s  „I will always love you“ hört, ist das etwas ganz anderes, als wenn ich sehe, da läuft gerade Kruder und Dorfmeister. Kein Geheimnis ist so gut gehütet, weswegen die meisten Menschen die Frage nach ihrem Musikgeschmack auch mit „alles eigentlich“ beantworten. Das ist eine Aussage, die nicht besagt, „ich höre gerne jede Art von Musik“, sondern: „wenn ich nachts von Panikattacken geplagt aufwache, höre ich wahnsinnig gerne James Blunts ruhige Stimme zum Einschlafen, das klingt aber verdammt uncool und verdammt wenig edgy, deswegen sage ich jetzt einfach, ich würde alles hören, das ist doch eine unverfängliche Aussage“. Jeder hat seine Playlist, die er anmacht, wenn Freunde zu Besuch kommen, und die, die er selbst hört. Die man natürlich auch nicht immer hört, eigentlich selten, dann eben, wenn einem danach ist. Trotzdem darf sie kein anderer zu Gesicht bekommen.

Her mit eurer Trash-Musik!

Dabei wäre das das Schönste. Zeigt her eure trashigsten Lieblingslieder! Öffnet eure Spotify-Accounts und eure Herzen! Raus mit all euren schmutzigen Musikgeheimnissen! Sagt euren Freunden, wie oft ihr schon zu Leona Lewis geweint habt und warum das Lied von T.I. euch begeistert. Sagt, warum ihr euch bei Rihanna verdammt sexy fühlt und was der Shit an „Hollaback Girl“ ist. Erzählt von der Nacht, in der ihr so begeistert zu „Skandal im Sperrbezirk“ getanzt habt, dass ihr am Ende über eure eigenen Füße gestolpert seid. Und wie ihr euch danach bei „Everything I do – I do it for you“ in den Armen lagt. Jeder hat sie, die Leichen im Keller und die 2000er in seiner Playlist. Und vollkommen egal, wieviel schmieriger Pathos mitschwingt – in diesen Zeilen genauso wie in den Liedtexten – das Leben ohne Pathos und ohne schmerzlich übertriebene Gefühle, wäre verdammt langweilig. Du, liebe Trashplaylist, bringst das Drama zurück, die Gefühle, die zu groß für jede Genreschublade sind. Du bist die musikgewordene Ehrlichkeit, und dafür liebe ich dich.
Hier geht’s zu den besten Klassikern, die das inoffizielle Genre so hergibt:

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Bildquelle: Unsplash unter CC0 Lizenz