Deutschrap Scheißt Auf Moral

Deutschrap: Scheißt auf die Moral und feiert ihn trotzdem

Selten gab es einen solchen Hype um ein angekündigtes Album der größten deutschen Gangster-Rapper unserer Zeit: Haftbefehl und XATAR. Dass die beiden wirklich jedes Klischee eines Möchtegern-Rappers erfüllen, zeigen ihre vorab veröffentlichten Kurzfilme, die in den vergangenen Wochen senkrecht durch die Decke starteten. Die Filme sollen einen Vorgeschmack zu ihrem Album Der Holland Job geben und handeln von XATARS krimineller Jugend. Auf sehr zugespitzte und teilweise übertriebene Art und Weise wird hier alles verbrochen, was man sich als Gangster nur so leisten kann: Von Schießereien bis hin zu wilden Verfolgungsjagden und Überfällen decken sie alles ab. Lässig im ersten Moment, erschreckend im zweiten, denn beim Abspielen kneift mich immer mal wieder was: ein kleiner Gewissensbiss. Bin ich ein böser Mensch, wenn ich diese Musik höre?

 

Der schmale Grat zwischen „geil“ und „geht gar nicht“

 

Diesen Moment kennt sicherlich jeder von uns: Wir sitzen mit Eltern oder Freunden im Auto und der Lieblingssong läuft im Radio. Während wir begeistert schief mitsingen, mitrappen oder häufig einfach nur mitgrölen, blicken wir in die besorgten Gesichter neben uns. „Weißt Du eigentlich, was Du da gerade singst?!“ – Nein, verdammt nochmal, aber das ist doch auch egal. Oder etwa nicht?

Es scheint, als wäre es früher deutlich einfacher gewesen, sich für Musik zu begeistern. Man musste sich nicht für den eigenen Musikgeschmack, Lieblingskünstler oder dessen politische Gesinnung rechtfertigen. Heute macht man sich viel zu viele Gedanken darüber, inwiefern manche Texte wirklich moralisch und politisch vertretbar sind. Der Grat zwischen „geil“ und „geht gar nicht“ ist erstaunlich schmal geworden. In Deutschland musste vor allem die Randgruppe des Deutschraps unter dem gesellschaftlichen Wandel zur Moral einstecken.

 

Frauen und Rap: Geht das klar?

 

Bushido, Fler, Sido und Eko Fresh machten es vor: Sie rappten frei Schnauze über Geld, Bitches, Drogen und Autos. Schimpftiraden gegen Rapper-Kollegen und frauenverachtende Äußerungen gehörten zur musikalischen Tagesordnung und keiner nahm sich dabei zurück. Überraschend: Unter den Fans war die Frauenquote trotzdem ziemlich hoch. Damals war es scheinbar kein Problem, Deutsch-Rap auch als Frau zu hören, obwohl der feministische Grundgedanke mit einigen Lines zu Boden getreten wurde. „Wie du in deinem Bett sitzt, halb nackt du Dreckstück. Ich wusste das du so bist, und jeden Dreck fickst“, reimten Bushido und Fler kunstvoll in „Dreckstück“, als sie noch keinen Zickenkrieg hatten.

Aber es gab ja nicht nur die Rüpel, sondern auch die Rhetoriker unter den Rappern. Einer von ihnen ist Max Herre, ein Urvater des rhetorischen Raps. Er erklärte einmal: „Rap ist nicht frauenfeindlich. Selbst den schmutzigsten Text feiern Frauen heimlich.“ Damit hat er wahrscheinlich recht, aber wieso heimlich diese Texte feiern? Ist die Angst, auf Kritik zu stoßen, etwa doch zu groß?