Eine Idee Liebe: Die Psychologie der Liebesstile
Die romantische Liebe ist zum zentralen Motiv unserer Paarbeziehungen geworden. Dass sie der Kitt zweier Menschenleben ist, ist dabei eine noch recht junge Erfindung. Seitdem hat sich viel getan. In dieser Kolumne beschäftigen sich unsere zwei Autorinnen Lena und Rahel mit dem Ursprung der romantischen Liebe. Wo kommt sie her, wo will sie hin? Ist die Liebe zwischen Swipe links und Swipe rechts nur noch ein Produkt der Liebesökonomie?
Die Liebe ist eines der grundlegendsten Bedürfnisse des Menschen. Wir brauchen sie, um uns zugehörig zu fühlen und um zu wissen, wer wir sind. Und wer sich nun denkt: „Was für ein Quatsch, ich weiß auch alleine ganz gut wer ich bin, schließlich kann ich auch als Single glücklich sein“, der denkt bei dem Begriff Liebe sehr wahrscheinlich nur an die romantische Liebe. Dass es aber noch so viel mehr gibt als die Liebe in Partnerschaften, das hat die Psychologie bereits sehr früh erkannt.
Genau genommen, gibt es nämlich ganze sechs verschiedene Arten von Liebe. Und diese sollen im Folgenden einmal aufgeschlüsselt werden. Schließlich wäre es doch schade, Liebe nur einseitig zu betrachten.
Wie bereits erwähnt, werden sechs Formen der Liebe unterschieden, die in einer festen Partnerschaft relativ stabil über mehrere Jahre ausgeprägt sind. Jedoch können sie sich in ihrer Intensität unterscheiden, weshalb es vielleicht Sinn ergibt, mit der offensichtlichsten Form der Liebe zu beginnen.
Die romantische Liebe
Schmetterlinge im Bauch, die rosarote Brille auf der Nase, lachend durch ein Blumenfeld rennen. Wer dieses Gefühl kennt, der hat sie bereits erlebt: Die romantische Liebe. Sie zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass beide Partner sich körperlich zueinander hingezogen fühlen. Sie suchen die Nähe des jeweils anderen, wollen einander kennenlernen und so viel Zeit wie möglich miteinander verbringen. Wenn wir jemanden auf romantische Art lieben, sind wir bereit viel zu geben und noch mehr zu verzeihen. Unsere Empathiefähigkeit steigt massiv an, wir können uns gut in die Gefühlwelt der oder des anderen hineinversetzen und sind fest davon überzeugt, dass wir gleich ticken. „Er ist mein Seelenverwandter“, sind Sprüche, die wir nicht nur aus kitschigen Hochzeitsshows kennen, sondern auch von unserer frisch verliebten besten Freundin. Ein Zustand, der für unser Umfeld schnell an Wahnsinn grenzt. Diese extreme Phase der ersten Verliebtheit hält häufig jedoch nur eine kurze Zeit an. Experten gehen von 3 Monaten bis zu einem Jahr aus. Was für ein Glück! Denn so schön sie auch sein mag, sie verfälscht unseren Blick auf den Partner oder die Partnerin und nimmt uns die Fähigkeit, objektive Entscheidungen zu treffen.
Die spielerische Liebe
Der Gegenspieler der romantischen Liebe ist die spielerische Liebe. Ihre Idee beruht vor allem auf sexueller Freiheit und der Verwirklichung von sexuellen Wünschen. Sie will alles und das am besten jetzt sofort. Mit ihr treten häufig auch Verhaltensweisen wie Täuschung oder Manipulation auf. Sie will sich nicht binden, hat keine Lust auf „etwas Festes“ und möchte vor allem erkunden und Spaß haben. Sobald zu viel Nähe aufkommt, nimmt sie reiß aus oder sucht nach Ausreden, um sich nicht festlegen zu müssen. Solange man in keiner festen Beziehung ist, ist diese Form der Liebe natürlich völlig in Ordnung. Schwierig wird es nur dann, wenn man aus einer festen, monogamen Beziehung heraus versucht, die spielerische Liebe durch einen Seitensprung zu finden. Für Menschen, die ausgeprägt der spielerischen Liebe folgen, eignet sich daher ein alternatives Beziehungsmodell, in dem sich beide Partner*innen ihre Freiheiten abseits der Monogamie nehmen können.
Die freundschaftliche Liebe
Wir alle kennen sie und doch wird sie uns meist erst dann bewusst, wenn sie fehlt oder wir sie am meisten brauchen: Die freundschaftliche Liebe. Sie entsteht häufig aus langer Bekanntschaft oder Freundschaft, sowie gemeinsamen Interessen. Oftmals hält sie selbst einer langen räumlichen Trennung stand und überlebt diverse romantische Beziehungen. Freunde, die uns lieben, geben uns Ratschläge aufgrund der langen Zeit, die wir miteinander verbracht haben. Sie helfen uns in schwierigen Lebensphasen und begleiten uns über Jahre hinweg. Freundschaftliche Liebe ist tolerant und ehrlich, die ist gelassen und respektvoll. In manchen Fällen kann aus freundschaftlicher Liebe romantische Liebe entstehen und doch ist diese nicht unbedingt wertvoller. Auch wenn es uns oft nicht bewusst ist: Auch freundschaftliche Liebe muss gepflegt und erhalten werden, sie ist nicht selbstverständlich und ihr Wegfall kann ebenso großen Liebeskummer auslösen, wie das Ende einer Partnerschaft.
Die besitzergreifende Liebe
Im Unterschied zu der freundschaftlichen Liebe, ist die besitzergreifende Liebe hochemotional und kann leicht ins toxische abdriften. Die geliebte Person erscheint hier unersetzbar und einmalig. SIE ist die eine. Das weiß man genau und deswegen tut man ALLES, damit die Beziehung funktioniert. Besonders charakteristisch für diese Form der Liebe ist der Hang zur Eifersucht und zur Kontrolle. Jeder Freund und jede Freundin werden zum Rivalen und jede Minute, die man ohne die oder den anderen verbringt, wirkt wie ein wunder Punkt, der die Beziehung zerreißen könnte. Menschen, die besitzergreifend lieben haben häufig ein Problem im Selbstwert und sind extrem ängstliche und unsichere Bindungstypen. Trennung werden hier schnell zum Rosenkrieg und sehr verletzend. Deshalb Vorsicht bei der Partner*innenwahl!
Die pragmatische Liebe
Wer keine Lust auf die Hochs und Tiefs der besitzergreifenden Liebe hat und wem auch die romantische Liebe nahezu anstrengend erscheint, der schaut sich am besten nach der pragmatischen Liebe um. Hier geht es vor allem um Nutzenorientierung. Wer pragmatisch liebt, ist der feuchte Traum jedes VWLers. Wie sieht die Kosten-Nutzen-Rechnung aus? Was bringt mir diese Beziehung? Welche Vor- und Nachteile gibt es? Die Vorgehensweise bei der Partner*innensuche ist daher häufig analytisch und rational. Nicht selten haben Menschen, die diese Art der Liebe verfolgen eine klare Vorstellung, was ihre/n Partner*in angeht, von der sie auch nicht abweichen. Leidenschaft sucht man hier vergeblich und auch die körperliche Nähe steht eher im Hintergrund.
Die altruistische Liebe
Zu guter Letzt gibt es noch die altruistische Liebe. Hier steht das Wohl der geliebten Person im Vordergrund. Dieses wird über die eigenen Bedürfnisse gehoben und ist das Maß der Dinge. Die Opferbereitschaft ist dementsprechend groß. Wer sich nun denkt: „Das macht doch keinen Sinn, wer möchte denn so leben?“, der sollte vielleicht einmal kurz an die eigene Mutter denken, denn in vielen Kulturen wird eine altruistische Liebe völlig selbstverständlich von Müttern erwartet. Ein Stigma, welches auch heute noch existiert. So werden arbeitende Mütter oft als egoistisch oder als Rabenmutter abgestempelt, während ein ähnliches Verhalten vom Vater nie erwartet werden würde und in einer romantischen Beziehung zwischen zwei erwachsenen Menschen nahezu krankhaft wirkt.
Keine Panik
Wer sich nun Sorgen um den Zustand seiner Beziehung macht, den kann ich beruhigen. All diese Liebesstile wechseln sich in einer gesunden Beziehung mit der Zeit ab. Während der Anfangsphase dominiert häufig die romantische Liebe, ist der Partner krank oder hat er Probleme, werden wir schnell altruistisch und manchmal kann eine Beziehung sogar freundschaftliche Züge annehmen.
Dennoch ist es in manchen Fällen vielleicht hilfreich, sich zu fragen, in welchem Stil man aktuell festhängt. Möchte man seine Beziehung so führen oder lohnt es sich, sich professionelle Hilfe zu suchen?
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