Eine Idee Liebe: Über manche Menschen kommt man niemals gänzlich hinweg

Die romantische Liebe ist zum Kitt unserer Paarbeziehungen geworden. Dass sie der Kitt zweier Menschenleben ist, ist dabei eine noch recht junge Erfindung. Seitdem hat sich viel getan. In dieser Kolumne beschäftigen sich unsere zwei Autorinnen Lena und Rahel mit dem Ursprung der romantischen Liebe. Wo kommt sie her, wo will sie hin? Ist die Liebe zwischen Swipe links und Swipe rechts nur noch ein Produkt der Liebesökonomie?

Es gibt sie, die Menschen, in die man sich verguckt, ehe man bis drei zählen kann und die einen, einmal in ihren Bann gezogen, nur schwer wieder loslassen. Nicht einmal dann, wenn man mit beiden Beinen in einer Beziehung steht und auch nicht, wenn besagter Schwarm nicht auf dich steht. Diese Person, die deine ganz persönliche Schwäche zu sein scheint, nennt man auch Kryptonit-Mensch.

Warum eigentlich Kryptonit? Kryptonit ist ein fiktives Mineral und eines der wenigen Schwachstellen von Superman und Co. Beim Kryptonit-Menschen handelt es sich sprichwörtlich um eine Person, für die man immer eine Schwäche haben wird. Eine Nachricht, ein schiefes Lächeln genügen und es ist wieder einmal um einen geschehen. Mit dieser Person würde man sofort in den nächsten Flieger steigen, böte sich die Gelegenheit. Mit ihr würde man kurz vor der eigenen Hochzeit durchbrennen, noch einmal heftig die Korken knallen lassen, fortgehen und nie wieder zurückkehren, wenn auch nur in der Vorstellung. Ja, sie verleiten uns zu derartigen Gedanken und lassen uns an unseren Gefühlen und Beziehungen zweifeln. Doch wieso vermisst man diese Person noch immer, obwohl sonst alles gut läuft? Warum kommt man einfach nicht von ihr los? Normalerweise dauert Liebeskummer einige Monate, die Gefühle für einen Kryptonit-Menschen reichen für ein ganzes Leben. Was nicht bedeutet, dass man sie nicht loswerden kann, aber es ist deutlich schwieriger, weil so viel daran hängt, weil irgendwann die eigene Identität auf dem Spiel steht.

Ich war neunzehn, als ich meinen Kryptonit-Menschen kennenlernte…

Ich lernte ihn beim Sport kennen. Damals war ich noch mit meinem Exfreund zusammen und fühlte mich schlecht, weil ich statt an ihn, an den anderen dachte. Wir flirteten miteinander und ich genoss die Zeit, die wir zusammen verbrachten. Ich mochte seine wilde Art und vor allem mochte ich mich selbst, wie ich in seiner Gegenwart war. So frei und anders und laut. Ich fühlte mich lebendig. Er machte mir schöne Augen und genoss merklich die Aufmerksamkeit, die ihm zuteilwurde. Ich merkte schnell, dass er nur mit mir spielte, weil es außerhalb des Flirtens keine eindeutigen Zeichen gab. Irgendwann trennte ich mich von meinem Freund und forderte meinen Kryptonit-Menschen heraus. Es gab ein Date, es kam zu einem Kuss, wir sprachen von weiteren Treffen. Ich schwebte im siebten Himmel. Doch dann sagte er das Treffen ab, ghostete mich, aber auch nicht so richtig. Ich versuchte ihn zu vergessen, doch das klappte mehr schlecht als recht, weil er sich immer wieder bei mir meldete. Irgendwann reichte es mir und ich brach den Kontakt ganz ab. Hier und da schreibt er mal noch, ab und zu begegnen wir uns zufällig, dann reißt die Wunde wieder auf. Doch es stimmt, wenn die Leute sagen, die Zeit heilt alle Wunden. Meine jetzige Beziehung und die Distanz haben mir geholfen, dass ich fast gar nicht mehr an ihn denke. Ab und an schweifen die Gedanken noch ab, aber dann genieße ich es irgendwie. Es scheint, als hätte ich in meinem Kryptonit-Menschen einen Weg gefunden, wie ich das aufregende Gefühl des Verknalltseins, dosiert erleben kann, wann immer mir danach ist, ohne dass es mir gefährlich wird.