Buch lesen

Eine Idee Liebe: Ist die Liebe eine Erfindung?

Wie aber kommt es nun zu der Einflussnahme, die fiktionale Geschichten auf unser Liebesleben haben? 

Während wir beispielsweise einen Liebesroman lesen, fühlen wir mit den Figuren mit. Wir ärgern uns, lachen, lieben, verstehen. Es werden also gewissermaßen Identifikationsprozesse mit den Protagonisten hergestellt. Diese zunächst fiktionalen Gefühle des Miterlebens sind von der qualitativen Beschaffenheit aus derselben Substanz wie unsere realen Gefühle. Sie beziehen sich zwar auf einen anderen Kontext, sind im Erleben aber gleich. Was zur Folge hat, dass wir sie unterm Strich nicht voneinander unterscheiden können. Gleichzeitig nehmen uns die fiktional erlebten Gefühlswelten die in der Zukunft liegenden Erfahrungen vorweg. Die Liebe wird dadurch in ein vorgreifendes Gefühl verwandelt, das Erwartungen schürt, die wir ohne diese Vorwegnahme vermutlich so nicht hätten. Wir wollen das Gefühl und wir wollen das damit propagierte gute Leben. Das ist erst einmal nicht schlimm. Problematisch wird es aber dann, wenn es um die Frage nach einem erfüllenden Leben geht. Wie können wir mit einer solchen bipolaren und hohen Erwartungshaltung glücklich werden? 

Ab diesem Punkt kann nicht mehr so einfach differenziert werden, was wir wollen, weil wir davon gehört haben, und was wir wollen, ohne je davon gehört zu haben. Die Wahrnehmung des Alltags wird verändert. Das Leben unter den gegebenen Voraussetzungen verblasst zu einem langweiligen Spiegel des in den Medien Dargestellten. Fehlt die beschriebene Aufregung, ist der Schritt zur Infragestellung der eigenen Beziehung nur noch ein kleiner. Im schlimmsten Fall führt das zu einer Entfremdung des eigenen Partners oder der Partnerin und schließlich zur Trennung.

Die spannenden Liebesdarstellungen in Büchern, Filmen und Werbung sind demnach mit Vorsicht zu genießen. Schüren sie doch unrealistische Wünsche, die lebensfern und in der Praxis untauglich sind. Gerade in der Liebe sollte man aber realistisch bleiben und die eigenen Erwartungen hinterfragen. Denn wenn es uns nicht gelingt die Fiktion von der Realität zu unterscheiden, machen uns die wirklichkeitsfremden Vorstellungen auf lange Sicht beziehungsunfähig und unglücklich. 

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Bildquelle: Alice Hampson auf Unsplash; CC0-Lizenz