Pandemie-Erasmus: Das etwas andere Auslandssemester

Nathanael (26), studiert in Köln Sozialwissenschaften und war im Auslandssemester in Grenoble

Du bist trotz der Unsicherheit, die die Pandemie mit sich bringt, ins Auslandssemester gegangen. Hattest du keine Zweifel?

„Der Sommer verlief recht normal, daher habe ich versucht, optimistisch zu blieben. Außerdem hätte es zeitlich anders schlecht bei mir gepasst. Aber klar war es riskant und schließlich auch kein normales Auslandssemester.“

Das malerische Städtchen Annecy

Wie ist dein Semester verlaufen? Konntest du trotz der Umstände Land und Leute kennenlernen?

„Anfangs war von Corona wenig zu spüren. Die Universität hatte offen, was bedeutete, dass sich etwa 500 Leute in der Mensa drängten. Es gab keine großen Partys, aber ansonsten hießen uns die Franzosen herzlich willkommen und organsierten Touren, Sport, Wanderungen, etc. In den ersten Wochen überforderte diese Fülle fast. Reisen waren im September auch kein Problem, aus der Gruppe hatten einige ihre Autos dabei. Uns verschlug uns etwa nach Lyon, in die Provence und nach Annecy. Ein heißer September lud auch dazu ein, die Pandemie etwas zu vergessen. Nicht die Abstands- und Hygieneregeln, aber zumindest ließ sich der Sommer gedanklich verlängern. Leider stiegen die Infektionszahlen im Oktober merklich. Auf eine Ausganssperre abends folgte der Lockdown, auch die Universität stieg komplett auf online um. Ab dann war das Ende dann absehbar.“

Hast du irgendwann während des Semesters überlegt abzubrechen?

„Viele zogen die Grenze, sobald es keine Präsenzuniversität mehr gab, das ging mir auch so. Ab dann war eher die Frage, wie man untergebracht war. Denn Lockdown in Frankreich bedeutete, nur eine Stunde im Umkreis von einem Kilometer täglich rauszugehen. Das ließ sich in einer netten WG mit Freund*innen besser aushalten als im Wohnheim. Von daher kehrten viele Anfang bis Mitte November mit dem harten Lockdown nach Hause zurück. Zumindest gingen die Kurse in der Heimat online weiter.“

Hat dir etwas Bestimmtes gefehlt, auf das du wegen der Pandemie verzichten musstest?

„Der Gedanke war eher, was ich in der Zeit in zuhause gemacht hätte. In Köln wäre es erst ab November losgegangen. Insofern habe ich schon ab September gut zwei Monate in Frankreich verbracht, anstatt im heimischen Trott zu hängen. Von daher habe ich vor allem an Erfahrung gewonnen, anstatt pandemiebedingt viel zu verpassen. Natürlich wünscht man sich alle Kurse präsent an der Uni, auch mal bis nachts in der Bar zu bleiben, offene Clubs. Aber das war und ist ja in Deutschland auch nicht anders. Schließlich wäre ich gerne das komplette Semester ohne Lockdown in Frankreich geblieben, aber das Risiko bin ich vorher eingegangen.“

Was ist dein Fazit zu deinem Erasmus-Semester?

„Wer es zeitlich und finanziell stemmen kann, sollte ein Auslandssemester machen. Selbst die Pandemie schmälert den Wert kaum. Nun fällt auch noch Großbritannien aus Erasmus raus, sodass wohl nur noch englische Wohlhabende im Ausland studieren. Insofern hoffe ich, dass die anderen EU-Studierenden diese Chance nutzen. So abgedroschen es klingen mag, aber man wächst nur an neuen Herausforderungen, in fremden Umgebungen. Das kann ich nur bestätigen.“