Pandemie-Erasmus: Das etwas andere Auslandssemester

Edith (21) studiert in Passau European Studies und verbringt ein Jahr in Aix-en-Provence

Du bist trotz der Unsicherheit, die die Pandemie mit sich bringt, ins Auslandssemester gegangen. Hattest du keine Zweifel?

„Als das mit Corona begann, dachte ich nicht, dass sich das auf mein Erasmus im Sommer auswirken könnte. Als ich dann gemerkt habe, dass es sich doch auswirkt und immer mehr Leute ihr Erasmus absagen, habe ich angefangen, mich nach Alternativen umzuschauen. Ich hatte Sorge, dass ich keine Leute kennenlerne oder Freunde finde. Aber nach zwei Jahren in Passau, von denen ich die letzten vier Monate fast nur in meiner Wohnung verbracht hatte, musste ich einfach raus und etwas Neues tun.“

Wie ist dein Semester verlaufen? Konntest du trotz der Umstände Land und Leute kennenlernen?

„Zuerst einmal hat bei mir die Uni eine Woche später als geplant begonnen, wegen Organisationsschwierigkeiten. Dann hatte ich zwei Wochen lang Unterricht im Hybridsystem, also einer Mischung aus Online und Präsenz. In dieser Zeit habe ich nicht viele Leute kennengelernt. Ich wollte verantwortungsbewusst handeln und bin deshalb nicht zu Feiern gegangen. Ich hätte mehr Leute kennenlernen können, aber dann hätte ich ein höheres Corona-Risiko eingehen müssen, was ich nicht wollte oder ich hätte deutlich mehr Aufwand betreiben müssen. Leute kennenlernen geht schon, es ist aber auf jeden Fall schwieriger.

Auch das Land kann man schon kennenlernen. Viele, die nur ein Semester hier sind, haben schon im September viele Ausflüge und Reisen gemacht. Ich habe mich da noch etwas zurückgehalten, denn ich bin ja für ein ganzes Jahr hier und habe Zeit. Aber nach dem Lockdown im November und mit dem Gedanken, dass jederzeit ein neuer Lockdown kommen könnte, habe ich jetzt im Januar begonnen mehr Ausflüge zu machen.“

Hast du irgendwann während des Semesters überlegt abzubrechen?

„Nein, nie. Das kam irgendwie nie in Frage. Das wusste ich auch, als ich herkam, dass abbrechen für mich keine Option ist, außer es wäre etwas sehr Schlimmes passiert. Und da ich den Auslandsaufenthalt für mein Studium brauche, wäre abbrechen problematisch.“

Aix-en-Provence

Hat dir etwas Bestimmtes gefehlt, auf das du wegen der Pandemie verzichten musstest?

„So länderspezifisch hat mir nichts gefehlt, es gab jetzt nichts, was in Deutschland ging, hier aber nicht, was mir gefehlt hätte. Obwohl ich sowieso kein Party-Erasmus machen wollte, fehlt es mir doch, ungezwungen Leute kennenzulernen. Ich versuche, einigermaßen verantwortungsvoll zu sein, und da ist das nicht wirklich drin. Und wenn doch, dann hat man ein schlechtes Gewissen, das ist schade. Und was mir auch fehlt, ist Couch-Surfing. So hätte man günstig durch das Land reisen können, so müsste man sich nun immer teuer eine Unterkunft mieten.

Was ist dein Fazit zu deinem Erasmus-Semester? Beziehungsweise dein Zwischenfazit, denn du hast ja noch ein Semester vor dir.

„Ich denke, es war die beste Entscheidung des letzten Jahres, dass ich mich für Erasmus entschieden habe und das durchgezogen habe. Ich hatte in vielen Dingen Glück, dass ich eine tolle WG gefunden habe, meinen Freund kennengelernt habe und dass ich überhaupt in so einer tollen Stadt angenommen wurde. Ich denke, meine positive Grundeinstellung hat mir auf jeden Fall geholfen das alles als eine gute Erfahrung zu sehen. In diesen Zeiten ist es schwer, aus dem Alltag auszubrechen, aber Erasmus war die Möglichkeit für einen Tapetenwechsel. Am Anfang wollte ich alles nach Corona machen, aber irgendwann habe ich gemerkt, vielleicht geht das noch fünf Jahre so weiter, also muss ich die Dinge jetzt eben mit Corona machen. Ich kann nicht mehr alles auf die lange Bank schieben und mein Leben pausieren, denn ich werde nicht alles nachholen können.“