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Deine Familie kannst du dir nicht aussuchen

von Christiane Mieth

Ich habe letztes Wochenende meine Freundin in ihrem Elternhaus besucht. Sie war gerade auf Heimaturlaub. In diesem Haus lag etwas in der Luft – nennen wir es euphemistisch: Spannungen. Und die haben mich zum Nachdenken gebracht.

Mit der Familie ist es so eine Sache. In fast jeder mir bekannten Familie gibt es unsichtbare Elefanten, dunkle Geheimnisse oder unterdrückte Traumata. Dabei besteht Familie aus den engsten Beziehungen, die überhaupt möglich sind: Untrennbare Gene. Doch warum ist es dann so schwierig mit der lieben Familie?

Nun. Familie hat immer auch etwas mit Erwartungen zu tun. Als meine Eltern wollt ihr nur das Beste für mich. Aber woher wisst ihr, was das Beste ist? Wollt ihr, dass ich glücklich bin oder einen tollen Job und viel Kohle habe (oder gar, dass ich euch nicht blamiere)? Ihr wollt vielleicht nicht, dass ich dieselben Fehler mache wie ihr. Das ist gut gemeint, aber sollte ich nicht meine eigenen Erfahrungen machen dürfen?

Die Dinge ändern sich

Vielleicht denkt ihr euch manchmal: Früher hat sie mich noch um Rat gefragt… aber irgendwann bin ich erwachsen geworden und nicht mehr auf eure Zustimmung angewiesen (selbst wenn ich finanziell noch von euch abhängig sein mag). Das frühere Unter-meinem-Tisch-gelten-meine-Regeln-Gehabe ist längst überholt. Doch wenn ihr den Moment verpasst, meine Entscheidungen zu respektieren, selbst wenn sie nicht euren eigenen Vorstellungen entsprechen, dann wende ich mich schnell von euch ab und unser Verhältnis hat einen Knacks. Irgendwann wisst ihr es einfach nicht mehr besser, auch wenn ihr es nur gut meint.

Als Kind hingegen will ich meine Eltern nicht enttäuschen, ich will sie stolz machen. Nur passen meine Vorstellungen nicht immer zu euren Idealen. Und dann habe ich das Gefühl, den Erwartungen nicht zu entsprechen und das schwarze Schaf in der Familie zu sein. Das ist scheiße!

Schweigen ist Silber, Reden ist Gold!

Wir sprechen aber auch zu selten Klartext. „Warum haben Papa und du euch eigentlich getrennt?“ – „Ach weißt du, das ist alles ziemlich kompliziert.“ Blöde Dinge passieren. Wir können sie nicht mehr rückgängig machen, aber wir können einander die Chance geben, sie zu verstehen. Was ist das für eine beschissene unausgesprochene Regel, dass manche Sachen nicht auf den Tisch kommen dürfen? Kinder sind irgendwann eben keine Kinder mehr sondern erwachsen. Ich habe meinen eigenen Kopf und will ernst genommen werden!

Auch spannend: Muss ich meine Familie mögen, nur weil sie meine Familie ist?

Vergiss nicht, wo du herkommst!

Aber trotz allem: Was wäre ich ohne meine Eltern? Quark im Schaufenster. Ihr habt mich aufgezogen und für mich gesorgt. Oft auch Opfer für mich gebracht. Es gibt viele Wege, ein bisschen Dankbarkeit zu zeigen: euch regelmäßig anrufen, zu euch fahren, euch an meinem Leben teilhaben lassen. Euch zeigen, dass ich euch liebe.

R-E-S-P-E-C-T

Die Familie können wir nicht austauschen. Unsere Eltern bleiben immer unsere Eltern, unsere Geschwister unsere Geschwister. Mit all ihren Macken und Geschichten. Umso wichtiger ist es, dass wir uns gegenseitig akzeptieren. Aus uns sind schon ganz ordentliche Menschen geworden – auch wenn unsere Eltern nicht immer mit uns einverstanden sind. Sie haben eine andere Denke als wir, weil sie in einer anderen Zeit groß geworden sind, mit anderen Werten und Überzeugungen. Das ist ok! Wir können nicht immer einer Meinung sein. Aber wir können das akzeptieren und uns trotzdem respektieren! Uns unterstützen, weil wir eine Familie sind.

So und nicht anders

Familie gibt es nur einmal. Sie ist nicht immer perfekt, aber sie ist immer noch Familie. Es macht keinen Sinn zu überlegen, warum andere Familien harmonischer, toleranter, entspannter sind. (Sind sie im Übrigen nicht. Das sieht nur so aus. Jeder trägt sein Päckchen.) Deine Familie ist deine Familie. Du kannst dich damit arrangieren und verstehen, dass jeder einzelne dazu gehört. Oder du hast eben eine Familie, die zerstritten, verschwiegen und verbittert ist. Fakt ist: Deine Familie ändert sich nicht, sie bleibt immer gleich – untrennbare Gene! Also solltest du wohl das Beste daraus machen.