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Muss ich meine Familie mögen, nur weil sie meine Familie ist?

Familie können wir uns nicht aussuchen. Wir haben und lieben sie einfach. So ist das zumindest bei den meisten Menschen, die ich kenne. Sie sind dankbar für Mutter, Vater, Geschwister, Oma, Opa und so weiter. Man unterstützt sich, hilft sich, steht sich bei. Außerdem sind sie das eigene Fleisch und Blut. Man teilt nicht nur dieselbe DNS, sondern auch oft Charaktereigenschaften, sowohl die guten als auch die schlechten. Und meistens auch noch den gemeinsamen Lebensraum. Klar gibt es genügend Menschen, die aus irgendwelchen Gründen nicht bei ihrer Familie aufwachsen, obwohl sie das vielleicht gerne würden. Darum geht es hier jetzt nicht. Es geht darum, dass man auch die Menschen, denen man eigentlich am nächsten stehen sollte, nicht immer mögen muss und kann. Und dass das manchmal auch gar nicht anders geht.

Blut ist dicker als Wasser? Bullshit!

Ganz ehrlich: In jeder Familie gibt es doch das ein oder andere schwarze Schaf. Manchmal ist es der Onkel, der seit Jahren offiziell als verschwunden gilt, obwohl jeder weiß, dass er sich selbst hochkant in den Knast manövriert hat. Oder die Oma, die schon seit Jahrzehnten ganz unauffällig an jeder Flasche mit über 40 Prozent Alkohol nuckelt und sich nicht mal an Weihnachten benehmen kann. Oder vielleicht ist es auch nur der Cousin, der es nicht an die Uni geschafft hat und deswegen von seiner Akademiker-Familie gehänselt wird. Da kann man dann auch schon man unterschwellig einen Groll hegen. Oder einen waschechten Hass entwickeln. Auch wenn es für andere nach einer Lappalie klingt, so kann es für manche unter uns schnell an die Substanz gehen. 

Schlimmer kann es noch kommen, wenn Gewalt im Spiel ist. Das müssen nicht mal Handgreiflichkeiten sein, meist reicht schon psychische Gewalt, um die Welt einer Person heftig ins Wanken zu bringen. Morddrohungen, emotionale Erpressung oder die wiederkehrende Beschimpfung können genauso weh tun, wie die Faust im Gesicht. Noch grausamer ist es, wenn diese schlimmen Worte und furchtbaren Taten von einem Menschen kommen, dem wir eigentlich uneingeschränkt vertrauen sollten, der einen normalerweise vor genau diesen grässlichen Personen beschützen sollte. Doch auf einmal sind wir dem Hass, der meistens unbegründet ist, einfach ausgeliefert. Und wir nichts mehr tun können, als mit noch mehr Hass zu antworten. Dieser Hass, der muss nicht mal in Gewalt entladen werden. Der kann auch einfach in uns, tief unter der Oberfläche brodeln. Da können wir uns keine guten, frohen und warmen Gedanken mehr machen, denn es gibt absolut nicht Tolles an dieser oft aussichtslosen Situation. Auch wenn Hass ein großes Wort ist, was uns dann doch mal viel zu schnell über die Zunge gleitet, ist es manchmal angebracht. Denn wir wünschen dieser gewissen Person, die uns die Seele gebrochen hat und es wieder und wieder tun wird, eigentlich nichts mehr als den Tod.

Kein Mittel gegen Antipathie

Doch es muss nicht mal zwingend etwas vorgefallen sein, damit wir ein oder mehrere Familienmitglieder nicht leiden können. Antipathie ist das Stichwort. Genauso wie es bei jeder anderen Person auf der gesamten Erde vorkommen kann, dass man sich einfach irgendwie nicht riechen kann, kann das auch in der eigenen Familie passieren.

Jemanden nicht zu mögen, ist ja auch nicht schlimm. Gerade im erweiterten Freundeskreis gibt es oft diese eine gewisse Person, die wir ums Verrecken nicht ausstehen können. Solang wir uns aber nicht täglich sehen müssen, ist die ganze Sache weniger schlimm. Doch in der engeren Verwandschaft einen persönlichen, richtigen Unsympath zu haben, ist da nicht so leicht. Familienfeste werden zu Torturen, da wird schon mal für den nächsten Hochzeitstag der Eltern eine dicke fette Ausrede aufgetischt. Geburtstage werden widerwillig besucht, hauptsächlich wegen des Kuchens. Solang wir dann an unterschiedlichen Tischen sitzen, können wir dem Problem ganz gut aus dem Weg gehen. Aber ist das nicht der Fall und man muss sich in regelmäßigen Abständen zwangsweise sehen, weil die ungeliebte Person beispielsweise in der direkten Nachbarschaft lebt, kann das Leben wirklich schwer werden. Leider ist noch kein Kraut gegen Antipathie gewachsen. Doch jeder hat so seine eigenen kleinen Mittelchen und Praktiken, um die ganze Sache ein wenig erträglicher zu gestalten.

Niemand ist gezwungen, seine Familie zu lieben. Es sind zwar die Menschen, die uns bestenfalls von der Geburt bis zum Tod begleiten, doch aussuchen können wir sie uns eben nicht. Wir müssen sie in den Augen vieler deshalb einfach lieb haben. Doch das ist nicht immer so einfach oder machbar. Denn Mensch ist Mensch und wir können und müssen auch nicht mit Jedem zurecht kommen.

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Bildquelle: via unsplash unter CC0 Lizenz